Amuse-ment

In unserer großen August F. Winkler-Reihe heute mal ein Beispiel, wie niedrigschwellig Winkler stets auch bereit war, sein Wissen unter das Volk zu bringen. Erfahrene Sternefresser dürfen den heutigen Link überspringen, alle anderen erfreuen sich an dieser charmant-gelehrigen Einführung in einen Brauch der gehobenen Gastronomie, der immer weiter um sich greift: Das Amuse-bouche oder auf Deutsch „der Gruß aus der Küche.“

Köche sehen im Amuse–bouche in erster Linie die Chance, den Gast ins Menü einzustimmen, ihm gleichsam eine gastronomische Ouvertüre aufzuspielen. Hinzu kommt, daß sich die meisten dieser „Mundfreuden“, so die direkte Übersetzung aus dem französischen Amuse-bouche (Amuse-gueule steht für das derbere „Maulfreude“), weil in der Regel kalt serviert, gut vorbereiten lassen, so daß die Küche wertvolle Zeit gewinnt für die Komposition des eigentlichen Menüs – und der erste Appetit des hungrig auftretenden Gastes wird dadurch gleichermaßen elegant wie geschmackvoll besänftigt.

(Foto: Eine Amuse-Bouche-Auswahl aus dem Drei-Sterne-Restaurant Quince in San Francisco, CC-BY City Foodsters)

entspannt trinken, nicht blind.

Mit dem Etikett Genuss wird heute leichtfertig alles versehen, was irgendwie mit Essen und Trinken zu tun hat. Das Genuss aber mehr als nur ein Synonym für Verdaubares ist, sondern auch für eine Geisteshaltung und für Entspannung steht, das wusste August F. Winkler. Deshalb heute die zweite Lese-Empfehlung aus Winklers Feinschmeckerey.

Obwohl Winkler selbst einer der größten Kenner europäischer Weine gewesen ist, hat er sich in einem schönen Text gegen jene Art von Blindproben ausgesprochen, in der gleich einer analytischen Kraftprobe die Teilnehmenden versuchen, sich gegenseitig darin auszustechen, wer welchen Wein besser erkennen kann.

Statt Genuß gibt es Arbeit, weil jeder krampfhaft analysiert. Und Analyse, das weiß nicht nur der Philosoph, frikassiert unbarmherzig den Genuß. Besser ist es, man pfeift aufs sogenannte Renommée, schlückelt heiter seinen Wein und tippt unverzagt und ungeniert immer wieder daneben.

Nachahmenswert besonders Winklers Fazit: „Aber sozusagen ungehemmten Genuß vermittelt auch der beste Wein nur, wenn du ihn entspannt trinkst und nicht jeden Schluck akribisch zerlegst, um herauszufinden, welcher Herkunft und Jahrgang es sein könnte.“ Also, entspannt euch, Weinposer, sonst werdet Ihr dem guten Tropfen doch gar nicht gerecht!

(Foto: CC-BY-ND Hanzell Vineyards)

„Ein wurstologisches Wunder“

August F. Winkler, einer der bekanntesten deutschsprachigen Gastro- und Weinjournalisten ist gestorben. Nicht nur als Würdigung seines Werkes werden hier in nächster Zeit einige seiner Texte empfohlen. Die Lektüre von Winklers Schriften lohnt auch ohne den traurigen Anlass. Er näherte sich seinen Untersuchungsgegenständen nicht nur kenntnisreich, sondern auch aus einem ganz eigenen Blickwinkel, der sich besonders in seiner speziellen Sprache und Wortwahl zeigt. Der Falstaff hat einen großen Nachruf, der besonders Winklers Verdienste um den österreichischen Wein ehrt.

Unser erster Lesetipp aus Winklers digitalem Nachlass führt zu den Schlachtern, ins Reich der Würste, genau genommen: Zur Blutwurst. Nach einem kleinen Exkurs in die Geschichte der roten Köstlichkeit widmet sich Winkler der Frage, warum sie zwischenzeitlich so unpopulär gewesen ist und jetzt ein Revival in der besseren Küche erfährt. Er führt aus, mit welchen Beigaben sie gut schmeckt und lässt jene Metzger zu Wort kommen, welche die „Ehre der Blutwurst“ verteidigen. Ja, bei Winkler hkonnte ein gutes Produkt auch mal eine Ehre haben.

Die archaischste und wohl älteste ihrer Art ist die Blutwurst. Erst unter der Haut offenbart sie ihr von Zartheit und Pikanterie erfülltes Wesen. Sie profitiert nicht vom gierigen Biß ins Pralle; niemandem käme es in den Sinn, in sie hineinbeißen zu wollen – sie will eröffnet werden!

(Foto: CC-BY Erich Ferdinand)