Abschied von einem Jahrhundertkoch

Heute wird Bocuse um 10.30 Uhr in der Cathédrale Saint Jean in Lyon zu Grabe getragen. Dabei werden viele Trauergäste kein Schwarz tragen. Auf seinen Wunsch hin wurden alle Köche unter den Trauergästen gebeten, ihre weißen Kochjacken zu tragen. Mittlerweile finden sich auch in der Presse ein paar nennenswerte Texte zum traurigen Anlass. Rudolf Balmer erinnert in seinem schönen Nachruf in der taz daran, dass Bocuse erst Widerstandskämpfer gegen Nazi-Deutschland war, bevor er die gastronomische Welt eroberte. Im Stern beschreibt Küchenpromi Vincent Klink, wie Bocuse das Selbstverständnis von Köchen prägte und änderte. In der Süddeutschen Zeitung erzählt Patricia Bröhm unter anderem die schöne Anekdote, wie Bocuse sich damals für eine Herzoperation bedankt hatte. In seinem alten Hausblatt erscheint Jürgen Dollase nur als Interviewpartner. Auf Eat-Drink-Think schreibt er hingegen über verschiedene Treffen mit Bocuse und seine besondere Rolle in der französische Küche:

Bocuse stand an einer ganz wichtigen Schnittstelle zwischen Tradition und Moderne. Er war derjenige, der wie kein zweiter Koch die traditionsverbundene französische Hochküche durch die Zeiten transportiert hat und für Klarheit und geschmackliche Präzision sorgte, als sie zu sehr in Richtung von großen Schautellern und unendlich viel Bastelei abdriftete.

Dazu passend ein besonders hübsches Zitat von Matthew Fort im Guardian:

Although Bocuse was associated in the early 1970s with the rise of nouvelle cuisine, he later dissociated himself from that movement, saying it represented “not enough on your plate and too much on your bill”.

(Bild: CC-BY thierry ehrmann)

Bocuse ist tot

Einer der großen Väter der französischen Nouvelle Cuisine ist Tot. Bocuse wurde nicht nur berühmt für seine regional inspirierte Kochkunst und seinen großzügigen Einsatz von Butter sondern auch für sein Marketing-Genie. Der Gault-Millau hatte ihn bereits Ende der 80er zum „Koch des Jahrhunderts“ erklärt. Dieses, sein Jahrhundert, hatte er nun längst überlebt. Ich werde in den nächsten Tagen die Augen offenhalten, ob es ein paar spannende Artikel zu Bocuses Erbe geben wird. Die eilig zusammengetackerten Nachrufe aktuell scheinen mir eher uninteressant, da ist Böhmermanns Tweet noch das geistreichste.

Spannend wird die Zukunft seines Restaurants. Denn der praktische Betrieb war schon lange nicht mehr auf den Meister angewiesen. Auf die Frage, wer denn koche, wenn er selbst gerade nicht da sei, sagte er: „Derselbe, der kocht, wenn ich da bin.“ Weiterleben werden auf jeden Fall die von ihm vertretenen Tugenden. Kaum eine Neueröffnung, die heute nicht behauptet, alles regional, saisonal und frisch vom Markt beziehen zu wollen. Diesen eigentlich extrem naheliegenden Ansatz hatte Bocuse einst in der Spitzengastronomie durchgesetzt und er gilt bis heute. Allein dafür gebührt ihm großer Dank.