„Mit drei Sternen lässt sich nicht viel Geld verdienen“

…zumindest in Deutschland. Im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung bestätigt Eckart Witzigmann mal wieder eine allgemeine Weisheit, die es zuletzt immer schwieriger hat: Das ökonomisch beste Modell ist nicht gleichzeitig das allgemein beste Modell. Er berichtet davon, dass sich ein Drei-Sterne-Betrieb finanziell kaum lohne. Deshalb seien die meisten dieser Betriebe auch Teil eines Hotels. Dann müssen die Übernachtungsgäste den Gourmet-Betrieb quer finanzieren (Eine andere populäre Variante ist das günstigere Zweitrestaurant). Dabei verschweigt er nicht, dass der Sterne-Betrieb in Deutschland noch besonders preiswert sei.

Im internationalen Vergleich sind die deutschen Häuser dieser Klasse ausgesprochen preiswert, in London, Paris oder New York ist die gleiche Leistung locker 60 bis 80 Prozent teurer. Aber trotzdem ausgebucht.

Als Gastronom sieht er selbst diese deutsche Sparsamkeit natürlich etwas kritischer. Begeistert zeigt er sich dagegen vom Nova Regio Trend und erinnert an eine Zeit, als die deutschen Feinschmecker mit den Delikatessen aus dem unmittelbaren Umland so gar nichts anfangen konnten. O tempora, o mores!

Ich habe bereits vor 40 Jahren versucht, Erzeuger und Produzenten vor meiner Haustüre zu finden und nicht alles von weit her kommen zu lassen. Nur haben damals die Leute die Nase gerümpft, als ich ihnen Flusskrebse oder Fische aus dem Chiemsee serviert habe. Es musste ja Hummer oder Steinbutt sein.

(Foto: Sara Kurfeß on Unsplash)

Typisch deutsche Sterneküche

Die deutsche Küche war lange Zeit ein Ödland, welches niemand zu beackern wagte, der ernsthaft Gastronomie betreiben wollte. Unter solchen Schlagwörtern wie Nova Regio oder Neue Deutsche Küche findet langsam eine Wiederentdeckung traditioneller Gerichte und Zubereitungstechniken aus früherer Zeit statt. Doch auch in den Jahrzehnten der Missachtung teutonischer Traditionen haben sich wiederum ganz neue, deutsche Eigenheiten herausgebildet. Julien Walther nimmt seine jüngste Kritik von Nils Henkels neuem Restaurant auf Burg Schwarzenstein zum Anlass, etwas über diese spezielle deutsche Sterneküche zu sinnieren.

Die deutsche Spitzenküche glänzt regelmäßig ‒ und auch hier ‒ mit präzisem Handwerk. Dieses Können stellt man gerne visuell zur Schau, wobei es hierbei nicht selten vorkommt, dass Attribute wie herausragende Produkte, Authentizität, Schlichtheit und Harmonie in den Hintergrund rücken. Ein objektiv hervorragendes Essen muss diese Attribute natürlich nicht alle als Leitmotiv haben, doch wenn auf viele davon verzichtet wird, müssen weitere Dinge wie Innovation oder Geschmacksbilder umso überragender sein.

Zumindest in einem anderne Punkt, einem bieder gediegenen Einrichtungsstil, den Walther als „sachliche Eleganz“ in zahlreichen Grautönen beschreibt, erntet er in den Kommentaren jedoch direkt Widerspruch. Dieser sei auch außerhalb der BRD-Grenzen nicht unpopulär, kommentiert ein User mit dem Namen Philipp:

Das Interieur ist keine rein deutsche Sache. Ich habe beim Foto direkt an folgende drei Restaurants gedacht (bei viel mehr als 5 Dreisternern war ich noch nicht zu Besuch, also kann es noch viel mehr sein): Vendôme, Pre Catelan Paris, Alain Ducasse at the Dorchester. Das auf eine Nationalität zu begrenzen trifft die Sache nicht ganz.

So ist es wohl wie so oft mit Dingen, die man gern als typisch Deutsch, typisch Französisch oder typisch Japanisch bezeichnen möchte: Tendentiell mag man da einer spannenden Wahrheit auf der Spur sein, aber irgendwelche blöden Ausnahmen stellen die neu entdeckte Regel immer zumindest in kleinen Teilen in Frage und rauben den Spaß am Entwerfen großer Theorien. Das ging auch Goethe schon so:

Die Deutschen sind im Durchschnitt rechtliche, biedere Menschen, aber von Originalität, Erfindung, Charakter, Einheit und Ausführung eines Kunstwerks haben sie nicht den mindesten Begriff. Das heißt mit einem Worte: Sie haben keinen Geschmack.

(Bild: CC-BY Jörg Schubert)

Jägerschnitzel mit Spirelli, Schweinesteak-Letscho und Goldbroiler

Und noch einmal DDR: Tina Hüttl von der Berliner Zeitung war mit Roland Albrecht zur Gastro-Kritik im Restaurant Volkskammer. „Roland Albrecht war in der DDR etwas, was eigentlich nicht vorgesehen war: ein Gourmet.“ Damit ist er der perfekte Tester für das Restaurant. Denn in der „Volkskammer“, der Name erinnert an das Scheinparlament unter Honecker, hat man sich auf die Küche der DDR samt ihrer einzigartigen und heute oft schon wieder vergessenen Kuriositäten spezialisiert:

Roland Albrecht studiert die Karte: Würzfleisch mit original Dresdner Worcestersauce, Jägerschnitzel mit Spirelli, Schweinesteak-Letscho und natürlich Goldbroiler. Sein Urteil: ziemlich authentisch, auch was Geruch und Interieur angeht. „Nur die vielen Honecker-Portraits sind etwas übertrieben, so dicke aufgetragen war es dann doch nicht.“

Natürlich kann kein Gespräch mit einem Koch enden, ohne dass dieser klagt, dass die Deutschen heute nicht genug Geld für ihr Essen ausgeben. Das ist auch hier so.

(Bild: CC-BY thierry ehrmann)