Die linke Döner-Debatte

Was war das für eine traurige Posse, letzten Sommer, als der Boulevard eine Diskussion im Europäischen Parlament über mögliche Gesundheitschäden von Phosphat so böswillig uminterpretierte, als wollten herzlose Bürokraten aus Brüssel den armen Menschen ihren Döner verbieten. Die linke Wochenzeitung Jungle World hat das einzig richtige gemacht, und über den albernen Boulevard-Streit gleich größenwahnsinnig die große Systemfrage gestellt: Döner Ja oder Nein.

Auf der Pro-Seite vermutete Ralf Balke hinter der Verbotsdebatte einen deutschen Zwangscharakter. Hinter dem vorgezogenen Argument der Volksgesundheit – denn es wurde nur über Döner, jedoch nicht über Bratwurst gesprochen, verberge sich eine fremdenfeindliche Ablehnung der orientalischen Spezialität kombiniert mit zwanghaften Vorstellungen von Sauberkeit und Hygiene.

Wer also dem Döner das Existenzrecht entziehen will, hat vor allem eines: pathologische Vorstellungen von Reinheit und Volkshygiene.

Nicht weniger theoretisch hochtrabend sind die Gegenargumente von Jan Stich. Der kritisiert einerseits die in der Regel mäßige Qualität des Döners, wie er in Deutschland serviert wird und hält diesen andererseits, im Kontrast zu Balke, für sehr vereinbar mit Fremdenfeindlichkeit. Dazu verweist auf die über ein Jahrhundert bestehende, militärische Kooperation zwischen Berlin und Bosporus.

Döner Kebab bedeutet Mittelmaß für die Massen statt Austern für alle. Das ist nicht das gute Leben. Das ist Food-Fordismus, Fließbandfutter, kulinarische Kulturindustrie.

In dem Kontext auf jeden Fall auch spannend ist ein taz-Artikel von Philipp Mausshardt aus dem letzten Frühjahr. Der erinnert zuerst daran, dass viele Gerichte ihren Ursprung in Kriegszeiten hatten und leitet davon ab, dass die friedliche Entwicklung und Ausbreitung zwischen Ankara und Berlin ein allgemein nachahmenswertes Beispiel für Völkerverständigung ist.

Man muss in der heutigen Aufregung deshalb schon froh darüber sein, dass der Döner ganz friedlich seinen Weg nach Mitteleuropa gefunden hat. Anstatt sich zu massakrieren, hätten sich die Migranten früherer Zeiten und die einheimische Bevölkerung besser auch schon um eine friedliche Integration bemühen sollen, den Austausch von Rezepten selbstverständlich mit einbezogen.

Da soll mal einer sagen, Döner sei langweilig. Mit ausreichend professioneller Deformation und genug Semestern Geistes- und Sozialwissenschaften kann man selbst über türkisches Grillfleisch weltanschauliche Debatten führen. Und dabei haben wir die Frage nach den ethischen Schwierigkeiten des Fleischkonsums noch nicht mal angeschnitten.

(Bild: CC-BY A of DooM)

Die Avocado-Miliz von Mexiko

Wenn man den Witzen glauben darf, ist die Avocado das wichtigste Nahrungsmittel für Millenials. Auf jeden Fall boomt der Markt seit Jahren. Ein wichtiges Anbauland ist Mexiko. Dort gilt die fette Frucht als grünes Gold. Seit einiger Zeit wird auch über die großen Schwierigkeiten berichtet, die der Avocado-Anbau für das Land bedeutet. So schrieb die dpa:

Die Abholzung der Wälder und die intensive Landwirtschaft zerstören nach Einschätzung von Umweltschützer Navia nicht nur das Ökosystem, sondern auch den Zusammenhalt in der Region. 80 Prozent der Wälder in Mexiko gehören Dorfgemeinschaften – sogenannten Ejidos. Die Bewohner verwalten das Land gemeinsam, bestellen es aber individuell. „Wird das Land an mächtige Agrounternehmer verkauft, löst sich das soziale Gefüge auf“, sagt Navia.

In dem Ort Tancítaro hat der große Erfolg der Avocado-Bauern ein ganz anderes Problem gebracht. Das viele Geld hat die Mafia angelockt. Weil der mexikanische Staat in vielen Regionen keine Chance gegen die Ganoven hat, haben die Bauern sich jetzt selbst paramilitärisch organisiert. Anne Ewbank schreibt auf Gastro Obscura:

The avocado producers of Tancítaro decided to fight back. In 2013, they created their own paramilitary. In Mexico, there are a number of local protection forces, but few are as well-equipped as CUSEPT. Members of CUSEPT, a Spanish acronym for “Public Security Corps,” wear uniforms with body armor and carry high-powered weapons. Checkpoints and regular patrols give residents an increased sense of security while warning cartels away. To keep things local, participants are required to be from the area, and the avocado producers provide nearly half of their funding. The government picks up the rest of the bill, and provides training.

Ein gutes Produkt muss eben viel mehr sein als Bio und Fair, Regional und Saisonal. Es wäre auch ganz gut, wenn es nicht auf paramilitärische Privatarmeen angewiesen wäre. Aber hey, früher gab es sogar Staatsstreiche wegen Bananen. Globalisierung ist kompliziert, und Essen ist am Ende auch ein Business und Business bedeutet eben Geld und Machtkämpfe.

(Bild: CC-BY-ND femme run)

Unsterblich – bis wir sie essen?

Die Tage ging die Meldung rum, dass Hummer in der Schweiz in Zukunft nicht mehr einfach lebend in kochendes Wasser geworfen werden dürfen. Uli Blumenthal vom Deutschlandfunk hat das zum Anlass genommen, sich mit dem Zoologen Ulf Bickmeyer über das Schmerzempfinden von Krustentieren zu unterhalten.

Wir können von außen sehr schwer beurteilen, ob ein Organismus Schmerz empfindet oder was auch immer.

Deutlich abgefahrener beim Thema Hummer finde ich ja das Meme, das seit knapp 10 Jahren im Internet herumgeht und behauptet, Hummer seien eigentlich unsterblich. Ein Thread auf Reddit stellt die Sache leider klar. Tatsächlich altern Hummer ganz anders und hören nie auf zu wachsen. Dabei stoßen sie dann aber an andere biologische Grenzen, die sie trotzdem nach einer bestimmten Zeit sterben lassen. Schade eigentlich!

Lobsters aren’t actually „immortal“. They show the effects of aging differently and, after a certain age, apparently lose the ability to molt their shells, resulting in death soon after. Their lifespans are 31-54 or so years for European Lobsters.

The „immortality“ legend arose in part from a 2007 story about lobsters saying that they don’t show signs of senescence in the same way many other animals do and that combined with a study on their telomerase expressionled to extrapolations claiming that they were „immortal“ or „didn’t age“.

They have what’s called „indeterminate“ growth, meaning that they grow and reproduce until they die like a tree, rather than growing to a certain point, then stopping, as in the case of many other animals like humans, elephants, and birds.

Additionally, molting and growing a new shell is costly and something like 10-15% of the population of Maine lobsters die annually during that process.

In short, lobsters do age, they just show it differently.

(Bild: Ein Aufblashummer als Schwimmspielzeug/ CC BY-ND 2.0 madaise)

Andere Länder, andere Sitten

Heute mal drei Geschichten aus der Hotellerie, und den Schwierigkeiten, die die politischen Rahmenbedingungen der Branche dann ab und zu doch bereiten können. Das Steigenberger in Düsseldorf klagt, ein Scheich habe dort die Zeche geprellt und schulde dem Haus beeindruckende 90 000 Euro. Zur Gerichtsverhandlung ist der arabische Adelige nicht erschienen. Währenddessen bekommt Marriott in China Schwierigkeiten, weil dem Konzern nicht klar war, dass man in China nicht über Taiwan oder Tibet reden darf. Ein anderes Hotel geht hingegen in die Offensive: In Washington DC soll ein Anti-Trump-Hotel entstehen. Vielleicht hatten die 68er ja recht, und es ist wirklich alles politisch. Hotellerie ist zumindest schon mal nicht unpolitisch.

(Bild: Das golden glänzende Trump-Hotel in Las Vegas, CC-BY Prayitno)

Rechte gegen Rechte

In Halle wird zur Zeit wild über einen Pub diskutiert. Der Anny Kilkenny-Pub in Halle hatte Mitgliedern der rechtsradikalen „Identitären Bewegung“ ein Hausverbot erteilt. Dann gab es den Versuch von rechter Seite, den Pub über negative Facebook-Bewertungen zu diskreditieren. Dieser Versuch ging wohl eher nach hinten los. Unbeachtet davon ist es natürlich auch eine juristisch interessante Frage: Darf ein Wirt pauschal rechtsradikalen ein Hausverbot erteilen? Gilt das auch für andere politische Ideologien? Im aktuellen Fall bekommt der Pub nun Rückendeckung vom Arbeitskreis kritischer Jurist_innen Halle. Diese argumentieren speziell mit der Gefährlichkeit, die von der rechtsradikalen Gruppierung ausgehe.

Dass die IB nicht überall ihr Feierabendbier bekommt, mag für sie somit zwar bedauerlich sein, ist aber völlig rechtens.

Eine ähnliche Situation gab es letztes Jahr in Köln, anlässlich eines AfD-Parteitages. Damals riefen Wirte organisiert zum Protest gegen die extrem rechte Partei auf. Das Motto der Aktion hieß damals „Kein Kölsch für Nazis.“

(Foto: CC BY 2.0 fukami)