Mais macht Wetter

Alles so schön rechteckig hier. Das 400-Einwohner-Örtchen Giltner liegt in Nebraska im Herzen des Mais-Landes. Das rechteckige Bild oben zeigt es ganz schön: Jedes kleine Quadrat ist ein Maisfeld und im Laufe der Zeit hat der Anbau nicht nur die Landschaft, sondern auch das Wetter verändert.

A 2018 report issued by climate researchers at the Massachusetts Institute of Technology claims to have solved the mystery and verified farmers’ suspicions: Namely, that large-scale corn production has changed the weather.

Von 1950 bis 2010 wurde die Jahres-Ernte in der dortigen Region um 400 Prozent gesteigert. Es ist heute die produktionsstärkste Agrar-Region der Welt. Wissenschaftler des MIT sagen, der Anbau hat sein eigenes Wetter geschaffen.

“We studied data from the past 30 years and found that the intensification of corn production has increased average summer rainfalls by about 35 percent and decreased [average summer] temperatures by as much as one degree Celsius,” says former MIT researcher Ross E. Alter, now a research meteorologist with the U.S. Army Corps of Engineers. Alter was the lead author of a 2018 report published in the journal of the American Geophysical Union that demonstrated how land use has impacted the region’s climate more than greenhouse gas emissions. “What makes these findings so fascinating is that, while global temperatures have risen, areas like eastern Nebraska have actually cooled,” continues Alter, referring to yearly averages. “We think it’s likely heavy agriculture counteracted rising summer temperatures that might have otherwise resulted from increasing greenhouse gases.”

Wer die imposanten Mais-Ernten Nebraskas näher sehen möchte, für den hat der NDR eine schöne Doku über die Kornkammer der USA.  Mit 384.777.890 Tonnen im Jahr ist die USA mit Abstand der größte Maisproduzent der Welt. Das ist besonders für ein Land der ersten Welt überraschend, danach folgen die Schwellenländer China, Brasilien und Argentinien. Mais ist nach Weizen das meistgehandelte Getreide der Welt. Die in Nebraska gemessenen Effekte werden auch an andern Orten der Welt spürbar werden.

(Foto: Google Maps)

Kochen ist Chemie

Die FAZ hat aktuell eine schöne Serie über die Molekularküche mit dem Physiker Thomas Vilgis. Im großen Interview weiß er er manch Spannendes zum Wesen und Werden des großen Küchentrends der 90er zu berichten. Spannend ist sein schneller, historischer Abriss, weil für ihn die Molekularküche mit Sous-vide beginnt und Sous-vide die heute verbreiteteste Technik der Molekularküche ist.

Eines der wichtigen Molekularküche-Themen ist das „Sous-vide“, das punktgenaue Garen. Dieses kam schon in den siebziger Jahren auf. Das konsequente Hineintragen von industriellen Methoden in die Gastronomie begann aber mit der spanischen Küchenrevolution um Ferran Adrià in den neunziger Jahren. Daraus entwickelte sich ein richtiger Hype, der so lange anhielt, bis sich viele Gäste darüber beklagten, dass sie keine echten Gerichte vorgesetzt bekämen. Serviert wurden um die zwanzig Gänge, zum Teil sehr kleine Portionen, die immer von einem bestimmten Effekt lebten. Da gab es teilweise ein Schnapsglas voll mit Wasser, auf dem eine kleine Portion Olivenöl mit ein paar Aromen schwamm. Das war sehr beeindruckend, tatsächlich hat man das Lokal aber nach 20 Gängen hungrig verlassen.

Getreu der Überschrift „Molekularküche kann jeder“ bringt die FAZ auch tolle Rezepte zum Thema. Nach dem Interview gibt es ein Rezept für Kaviar aus Bier. Etwas einfacher in der Umsetzung sind die Rezepte mit flüssigem Stickstoff aus dem Folgeartikel. Hoffentlich geht die Serie noch weiter.

Zum Schluss noch ein praktischer Tipp aus dem zuerst verlinkten Interview:

Nehmen Sie saure Gurken. Viele schütten den Sud weg. Das ist völlig falsch. Man kann ihn mit ein wenig Xanthan aufmischen und bekommt eine schöne Creme, die hervorragend zum Braten oder zum Tafelspitz und vielen anderen Gerichten passt.

Das Interessante an der Molekularküche ist vielleicht auch: Es muss eigentlich kaum mehr etwas weggeworfen werfen. Man kann aus allem bei spezieller Behandlung etwas machen.

Ja, ich werfe fast nichts mehr weg, außer es ist angefault.

Wir sollten alle Molekularköche wären. Dank FAZ wird das jetzt schon mal etwas einfacher. Wer Lust auf mehr hat, Vilgis hat auch ein schönes Buch zum Thema verfasst. Bei Valentinas Kochbuch gibt es eine Rezension. Weiß jemand, wo man flüssigen Stickstoff kaufen kann?

(Foto: Louis Reed on Unsplash)

Schlechte Menschen essen schlechtes Essen?

Nachdem wir gestern leichte Kost zum Thema Schaumwein hatten, gibt es heute mal ein richtig schweres Stück zum Lesen. Bei Medium schreibt Virginia Sole-Smith wie aus Teilen der Bewegung hin zu ökologischerem Essen ein völlig gestörtes Verhältnis zu Nahrung erwuchs. In ihrer partiellen Selbstanklage zitiert sie die Nahrungsjournalistin Christy Harrison:

“We kept thinking we were finding answers. But really, we were participating in this mass marketing of disordered eating.”

Tatsächlich bringt Sole-Smith ein paar bestürzende Beispiele, wie aus Body Issues einzelner InfluencerInnen plötzlich Ernährungstrends wurden.

The problems begin when we consider the corollaries to statements like “You are what you eat.” If that’s true, then eating “bad” foods (Big Macs, Slushies, anything made with white flour or sugar) makes you a bad person. Or at least an uninformed, undisciplined one.

Im Kern kritisiert die Autorin die Wende in der Debatte weg von der Kritik an einem falschen System und hin zu individuellen Fehlern der einzelnen Menschen.

Organic farmers and food activists may have originally banded together to take on huge corporations within the agricultural-industrial complex. But infusing their arguments with messages about health has led to the rise of a wellness-industrial complex, in which nutritionists, personal trainers, cookbook authors, and other “alternative-health experts” target us for our individual choices. Alternative food and wellness are big business now. The Amazon-Whole Foods deal was worth $13.7 billion.

Auch wenn ich nicht jeden einzelnen Punkt der Autorin teile, halte ich den Text für sehr lesens- und diskussionswert. Die Verantwortung einzelner Menschen für ihre Ernährung lässt sich für weite Teile der ersten Welt sicher nicht wegdiskutieren. Aber jeder Einzelne trifft seine Entscheidung auf Basis des eigenen Wissens und da ist definitiv auch viel fragwürdiges Wissen unterwegs, angeheizt von einer Gastro-Publizistik, die regelmäßig neue Hypes braucht, um neue Hefte verkaufen zu können.

(Foto: Daniel Lincoln on Unsplash)

Magische Kartoffeln gegen Rheuma

Eigentlich war es im Viktorianischen Großbritannien nicht großartig anders als heute, wie Gastro Obscura berichtet:

RHEUMATISM, THE HISTORICAL CATCH-ALL TERM for a number of inflammatory joint and muscle conditions, is a painful diagnosis. Before the advent of painkillers and the specialized field of rheumatology, there was little sufferers could do. So many people turned to magic, superstition, and folks remedies to ease their pain.

Doch während heute mystische Zuckerkügelchen sehr beliebt sind, hatten die Menschen damals einen anderen magischen Gesundheits-Fetisch.

Many of them turned to potatoes.

Damit die Heil-Kartoffel ihre Wirkung entfalten konnte, musste sie gestohlen sein und dann in der Tasche getragen werden, berichtet Anne Ewbank. Das Pitt Rivers Museum in Oxford hat sogar eine ganze Sammlung mit magischen Kartoffeln. Die Idee war, dass mit dem Schrumpeln der geklauten Kartoffel die Schmerzen zurückgehen. Dank des Placebo-Effektes mag es dem ein oder andern sicher sogar geholfen haben, und das ist doch eigentlich schön.

One convert to the potato cure, a Commodore Phillips, pilfered a potato from a barrel in Charleston, South Carolina, and defied a doctor who told him it couldn’t possibly bring him any pain relief. An 1897 medical journal quoted him: “I do not believe in it, but I have a potato and I have no rheumatism.”

(Foto: Juergen Jotzo  / pixelio.de)

Unsterblich – bis wir sie essen?

Die Tage ging die Meldung rum, dass Hummer in der Schweiz in Zukunft nicht mehr einfach lebend in kochendes Wasser geworfen werden dürfen. Uli Blumenthal vom Deutschlandfunk hat das zum Anlass genommen, sich mit dem Zoologen Ulf Bickmeyer über das Schmerzempfinden von Krustentieren zu unterhalten.

Wir können von außen sehr schwer beurteilen, ob ein Organismus Schmerz empfindet oder was auch immer.

Deutlich abgefahrener beim Thema Hummer finde ich ja das Meme, das seit knapp 10 Jahren im Internet herumgeht und behauptet, Hummer seien eigentlich unsterblich. Ein Thread auf Reddit stellt die Sache leider klar. Tatsächlich altern Hummer ganz anders und hören nie auf zu wachsen. Dabei stoßen sie dann aber an andere biologische Grenzen, die sie trotzdem nach einer bestimmten Zeit sterben lassen. Schade eigentlich!

Lobsters aren’t actually „immortal“. They show the effects of aging differently and, after a certain age, apparently lose the ability to molt their shells, resulting in death soon after. Their lifespans are 31-54 or so years for European Lobsters.

The „immortality“ legend arose in part from a 2007 story about lobsters saying that they don’t show signs of senescence in the same way many other animals do and that combined with a study on their telomerase expressionled to extrapolations claiming that they were „immortal“ or „didn’t age“.

They have what’s called „indeterminate“ growth, meaning that they grow and reproduce until they die like a tree, rather than growing to a certain point, then stopping, as in the case of many other animals like humans, elephants, and birds.

Additionally, molting and growing a new shell is costly and something like 10-15% of the population of Maine lobsters die annually during that process.

In short, lobsters do age, they just show it differently.

(Bild: Ein Aufblashummer als Schwimmspielzeug/ CC BY-ND 2.0 madaise)

Bakterien für das gute Aroma

„Gesetze sind wie Würste, man sollte besser nicht dabei sein, wenn sie gemacht werden“ soll Otto von Bismarck einst gesagt haben. Relativ sicher hat er das nie getan. Es gibt zumindest keine Quelle, die darauf hinweist. Nachgewiesen ist es so ähnlich bei dem amerikanischen Dichter John Godfrey Saxe. Erst seit den 1930er Jahren taucht der Spruch in Deutschland in Verbindung mit Bismarck auf. Man muss kein Professor für Deutsche Geschichte sein, um zu wissen, warum gerade dann gelogen wurde, um die Weisheit eines amerikanischen Dichters dem eisernen Kanzler zuzuschreiben.

Aber egal, wer es gesagt haben mag: Als Menschen der Aufklärung wollen wir natürlich wissen, wie unsere Gesetze und unsere Würste gemacht werden. Für Ersteres empfehlen sich die tollen Seiten von Europaparlament und Bundestag*. Hier geht es aber um das Essen – genauer genommen um die Wurst. Deshalb empfehle ich heute den Artikel von

When you slice into a salami, you are enjoying the fruits of some very small organisms’ labor.

Um das Reifen zu beschleunigen, setzen einige Hersteller auf bestimmte Bakterien als Starthilfen bei der Wurstreifung. Nun hat eine Studie ergeben, dass wild gereifte Salamis, ohne die Bakterien-Starthilfe, aber deutlich besser schmecken. Wenn wir das nächste Mal in eine besonders gute Wurst beißen, sollten wir also nicht nur dem Tier, dem Schlachter und dem Metzger danken, sondern auch den vielen Kleinstlebewesen, die das ganze erst so richtig schmackhaft machen.

Still, the idea of a more tailored approach — perhaps using microbes captured from the wild to get a better flavor — is tantalizing. In fact, identifying bacteria for a starter for artisanal Piedmontese salami will be part of the researchers’ next project.

(Bild: CC BY-SA 2.0 Zekun Jiang)