Die Blutdiamanten Mexikos

Dass der Avocado-Hype in Mexiko eine blutige Spur hinter sich herzieht, hatten wir im Januar schon mal angeschnitten. Nun berichtet GEO darüber, dass mit JP McMahon sich der erste Sternekoch für einen kompletten Boykott der problematischen Butterfrucht ausspricht.

Für McMahon, der im irischen Galway zwei Restaurants führt, seien die Früchte vergleichbar mit Eiern aus Legebatterien. Deshalb rufe er Köche dazu auf, sie nicht zu verwenden oder den Einsatz zumindest zu reduzieren. „Nichts wird sich ändern, wenn der Verbraucher nichts ändert. Wir benutzen sie in keinem unserer Restaurants.“

Dass McMahon mit dieser Haltung nicht alleine steht, zeigte jüngst auch ein englisches Café, das in einem kontrovers diskutierten Instagram-Post verkündete, keine Avocados mehr zu verwenden.

Im Gespräch mit dem Irish Independent fand er den drastischen Vergleich „Blutdiamanten Mexikos.“ Aber eine echte Trendwende ist noch lange nicht in Sicht. In Deutschland hat sich der Avocado-Verbrauch in den letzten zehn Jahren verdreifacht. Mit The Avocado Show hat in Amsterdam sogar ein reines Avocado-Restaurant eröffnet.

Wer statt zu lesen lieber Videos schaut, für den gibt es beim ZDF eine kleine Mini-Doku, warum die Avocado so problematisch ist.

(Foto: by Kelly Sikkema on Unsplash)

Mais macht Wetter

Alles so schön rechteckig hier. Das 400-Einwohner-Örtchen Giltner liegt in Nebraska im Herzen des Mais-Landes. Das rechteckige Bild oben zeigt es ganz schön: Jedes kleine Quadrat ist ein Maisfeld und im Laufe der Zeit hat der Anbau nicht nur die Landschaft, sondern auch das Wetter verändert.

A 2018 report issued by climate researchers at the Massachusetts Institute of Technology claims to have solved the mystery and verified farmers’ suspicions: Namely, that large-scale corn production has changed the weather.

Von 1950 bis 2010 wurde die Jahres-Ernte in der dortigen Region um 400 Prozent gesteigert. Es ist heute die produktionsstärkste Agrar-Region der Welt. Wissenschaftler des MIT sagen, der Anbau hat sein eigenes Wetter geschaffen.

“We studied data from the past 30 years and found that the intensification of corn production has increased average summer rainfalls by about 35 percent and decreased [average summer] temperatures by as much as one degree Celsius,” says former MIT researcher Ross E. Alter, now a research meteorologist with the U.S. Army Corps of Engineers. Alter was the lead author of a 2018 report published in the journal of the American Geophysical Union that demonstrated how land use has impacted the region’s climate more than greenhouse gas emissions. “What makes these findings so fascinating is that, while global temperatures have risen, areas like eastern Nebraska have actually cooled,” continues Alter, referring to yearly averages. “We think it’s likely heavy agriculture counteracted rising summer temperatures that might have otherwise resulted from increasing greenhouse gases.”

Wer die imposanten Mais-Ernten Nebraskas näher sehen möchte, für den hat der NDR eine schöne Doku über die Kornkammer der USA.  Mit 384.777.890 Tonnen im Jahr ist die USA mit Abstand der größte Maisproduzent der Welt. Das ist besonders für ein Land der ersten Welt überraschend, danach folgen die Schwellenländer China, Brasilien und Argentinien. Mais ist nach Weizen das meistgehandelte Getreide der Welt. Die in Nebraska gemessenen Effekte werden auch an andern Orten der Welt spürbar werden.

(Foto: Google Maps)

Thüringer Würstchen aus vietnamesischen Händen

Vielleicht sollte ich doch eine eigene Kategorie für das Thema „Wurst und Migration“ anlegen. Denn heute geht es schon wieder um die Wurst, beziehungsweise deren Rettung durch eine Auszubildende der Fleisch- und Wurstwaren Schmalkaden die auf den typisch thüringischen Namen Thi Hong Bui hört. Gesa Staiger hat eine großartige Reportage geschrieben, wie ein Wurstfabrikant dem Azubi-Mangel in Ostdeutschland entgegensteuert, indem er Auszubildende aus Vietnam nach Schmalkalden holt. Das ist einerseits überraschend, gilt doch die Provinz Thüringens als einer deutschen Fremdenfeindlichkeits-Hotspots, andererseits ist es aber auch wenig überraschend, denn Vietnamesen arbeiteten schon zu Zeiten der DDR in großen Scharen in Thüringen, Sachsen, Brandenburg und Co.

Besonders ernüchternd ist wohl der folgende Absatz:

Fleischer ist neben Restaurantfachmann der unbeliebteste Ausbildungsberuf der deutschen Jugend. Bundesweit bleibt jede dritte Stelle unbesetzt. Zwischen 200 und 900 Euro netto verdient ein angehender Fleischer in seinen Lehrjahren. Das Einstiegsgehalt nach der Ausbildung liegt bei 1.900 Euro brutto. Nicht viel für ein Leben in 12 Grad, zwischen Schweinehälften und Leberwurst.

Klingt so, als müsse sich grundlegend etwas an den Bedingungen in den Kulinarik-Ausbildungen ändern. Wer das tun möchte, könnte zum Beispiel die Nachwuchsarbeit der Gastronomie-Gewerkschaft NGG fördern. Die vertritt die jungen Auszubildenden, egal ob aus Vechta oder aus Vietnam, gegenüber ihren Arbeitgebern und kämpft für mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen – sonst findet sich irgendwann niemand mehr, der lernen möchte, wie man Thüringer Würste macht. Hören wir doch mal, was der Jugendsekretär der NGG zu sagen hat:

Gerade in diesen Berufen sind Überstunden und Belastung hoch und die Vergütung niedrig. Niemand darf sich wundern, wenn einem unter diesen Bedingungen die Auszubildenden weglaufen. Die Branche wird ihren Fachkräftemangel nur beheben können, wenn ihre Betriebe in die Qualität der Ausbildung investieren.“

Wenn sich da nicht grundlegend etwas ändert, findet sich irgendwann niemand mehr, der lernen möchte, wie Thüringer Würste gemacht werden – und das freut dann höchstens noch peta.

(Foto: Thüringer Wald von Renate Tröße  / pixelio.de)

Lachen in der Zwiebelkrise

Eine zerfallende Wirtschaft, ein despotischer Präsident und ein unerklärter Bürgerkrieg gegen Teile der eigenen Bevölkerung – die Türkei hat aktuell so einige Krisen. Über eine kleine Krisen, die neben den großen, dramatischen Krisen, weniger Aufmerksamkeit erfährt, berichtet die BBC: Die Zwiebelkrise. Der Verfall der Währung und die allgemein schlechte Ökonomie am Bosporus hat die Preise für das beliebte Gemüse in die Höhe geschraubt. Das kann Erdogan so natürlich nicht akzeptieren und schiebt deshalb die Schuld auf gemeine Spekulanten, die die Zwiebeln horten würden, um die Preise künstlich zu erhöhen. Das erinnert schon alles sehr an die letzten Tage der DDR…

President Erdogan states: „There will be no compromise“ if people are found hoarding the vegetable. Onions are four times more expensive than they were at the beginning of 2018. Agricultural experts say there are many reasons for this rise – not just stockpiling – and that raids on warehouses will not solve the problem in the long term.

Aber eine Gruppe hat natürlich gut lachen: Social Media Nutzer. Die haben jede Menge alberne Witzchen zur Zwiebelkrise. Besonders drollig fand ich folgenden Cartoon, den Twitter User Şaban Dilsiz geteilt hat. Der Polizist sagt „Oha, eine Zwiebel!“ und der arme Mann verteidigt sich mit „Ich schwöre, dass ich sie essen wollte und nicht verkaufen.“

Die vielleicht berühmteste Wirtschaftskrise der Vormoderne war übrigens auch eine Zwiebelkrise. Damals ging es jedoch um Tulpenzwiebeln. Der Handel mit diesen löste im 17. Jahrhundert quasi den ersten Börsencrash aus. Wo? Natürlich in den Niederlanden.

Auf Auktionen erzielten einzelne Zwiebeln – nach heutigem Wert – 25 000 Euro oder mehr. Rembrandt erlöste damals mit einem Gemälde weniger, obwohl er gut im Geschäft war. Alle Rekorde brach schließlich auf dem Höhepunkt der Tulpenmanie die „Semper Augustus“ – eine weiß-rot gestreifte Tulpe, für deren Zwiebel man heute umgerechnet eine Million Euro bezahlt hätte.

Von diesen Höhen ist der türkische Zwiebelpreis noch weit entfernt und wir wollen hoffen, dass er das auch bleibt. Denn ohne Zwiebeln macht das Kochen nur halb soviel Spaß.

(Foto: Thomas Evans on Unsplash)

Besser als vergorene Stutenmilch?

Dirk Gieselmann hat im Magazin der Süddeutschen Zeitung eine wundervolle Ode auf das türkische Nationalgetränk Ayran geschrieben. Darin kann man nicht nur erfahren, wie das Getränk am besten bereitet, serviert und genossen wird, sondern auch, welchen politischen Status das Getränk heute in der Türkei hat. Als Nationalgetränk genießt es nämlich besonderen Schutz. Da versteht der türkische Richter keinen Spaß. Ein frecher Eistee-Hersteller musste rund 70 000 Euro Strafe zahlen, weil er das Getränk in einer Werbekampagne schlecht aussehen ließ. Zum Glück hat Jan Böhmermann noch kein Gedicht über Ayran geschrieben. Und was hat das alles mit vergorener Stutenmilch zu tun? Lesen Sie den Text.

(Foto: tomislav medak CC-BY auf flickr)

Der Ursprung im Eintopf

Ayesha Harruna Attah hat in der New York Times einen spannenden Text darüber geschrieben, wie sie in traditionellen, afrikanischen Gerichten Zeugnisse eines Afrikas sucht, welches noch nicht durch Christentum, Islam und Kolonialismus verändert worden ist. Dabei beschreibt sie, wie schwer es ist, ursprüngliches von importiertem zu unterscheiden. Meine naive These wäre ja, dass es wirklich ursprüngliches nicht geben kann, und die interessanten Dinge alle erst im (oft gewalttätigen) Austausch verschiedener Menschen entstehen.

Das ist für einen weißen Mitteleuropäer vielleicht auch zu einfach zu sagen. Attah beschreibt dabei auch ein kulinarisches Machtgefälle zwischen den Suppenwürfeln des Westens und traditionellen, komplizierten Gerichten. Das erinnert eigentlich sehr an die Anfänge von Slow Food in Italien. Unabhängig davon, wie authentisch autochthon ein Gericht nun sein mag, ist es sicher sinnig, das Wissen über alte Produkte und Zubereitungsformen zu bewahren und weiterzugeben.

Because no one was doing such P.R. for our local foods, we longed to leave our shores to savor this manna from America.

(Foto: CC-BY-SA Hugues via Flickr „Joyce prepare le Fufu (mon plat favori)“)

Der wahre Alfredo – Kaiser der Nudeln

Auf den Speisekarten deutscher Italiener findet man sie selten und auch in Italien werden sie gar nicht so häufig serviert, doch viele Amerikaner halten sie für das italienischste Gericht der Welt: Die Fettucine Alfredo. Das sind dicke Bandnudeln mit Butter und Käse. Hans-Jürgen Schlamp hat bei Spiegel Online die transatlantische Geschichte des fetten Gerichtes unterhaltsam niedergeschrieben. Bereits in der dritten Generation gibt es einen erbitterten Konflikt zwischen den Erben des wahren Alfredo und denen, die sein ursprüngliches Restaurant gekauft hatten. Der Legende nach begann alles mit einem medizinischen Notfall:

Alfredo Di Lelio, Wirt und Koch eines kleinen Gasthauses in Rom, wollte dabei eigentlich nur seine Frau retten. Die hatte nach der Geburt ihres Sohnes keinen Appetit, kränkelte, magerte ab, verfiel – bis Alfredo ihr die kalorienreichen Nudeln vorsetzte. Sie gedieh prächtig, das Rezept kam auf die Speisekarte und die sagenhafte Geschichte konnte beginnen.

(Foto: CC-BY-ND Meal Makeover Moms)

Die Russen kommen – und sie bringen Pfannkuchen

Ich dachte, Chip.de sei ein Portal für Computer und Technik. Aber wohl nicht nur, denn dort berichtet Inga Methling über die russische Fast-Food-Kette Teremok. Die setzt nicht auf Burger und Fritten, sondern auf traditionelle Snacks, wie Blini und Pelmeni, und ist damit zumindest in Russland ein großer Hit. Über 300 Filialen gibt es und 2013 konnte ein Umsatz in Höhe von 170,2 Mio US-Dollar erwirtschaftet werden – dafür muss man einige Pfannkuchen backen. Jetzt plant der Chef und Gründer Michail Gontscharow auch den Sprung nach Deutschland. Dawaj! Dawaj!

Auf der Karte stehen russische Pfannkuchen (Blini), mit Fleisch gefüllte Teigtaschen (Pelmeni) und als Nachspeise Klöße aus Quarkteig (Syrniki). Der Koch bereitet alles frisch zu – wie bei Oma („Babuschka“) zu Hause. Teremok ist quasi ein modernes Schnellrestaurant mit traditioneller Küche.

Das ist vielleicht nicht nur für Fast Food Fans interessant. Schon 2016 kündigte Lorraine Haist in der Welt an, Moskau mit seiner traditionellen Küche, sei für Foodies das nächste große Ding. Bisher scheint die Prophezeiung noch nicht eingetroffen. Foodies rocken wie Neil Young vielleicht auch lieber in der freien Welt. Aber was Haist über die neue Esskultur rund um traditionelle Delikatessen schreibt, ist trotzdem sehr spannend. Vieles erinnert an die New Nordic Cuisine, nur eben ein paar Längengrade weiter östlich:

Was der 33-Jährige beim Tastingmenü in seinem gerade eröffneten „Lab“, einer Mischung aus hochmoderner Testküche und „Chef’s Table“ auf die Edelstahltheke stellt, ist gleichzeitig ein Crashkurs in russischer Warenkunde: Pferdefleisch, ein Parfait von der Schwanenleber im Marshmallow-Mantel, ein Brötchen aus Birkenrinden-Mehl, serviert mit cremiger Butter aus der Stadt Wologda, in der traditionellen Schwarzbrotlimonade Kwas gegarte Rippchen.

(Bild: CC-BY-SA Alexey Ivanov)

Der Dashi und das Geheimnis des Umami

Malte Härtig hat bei Effilee einen zugleich poetischen und lehrreichen Essay über den Dashi geschrieben. Diese klare Brühe auf Algenbasis ist die Grundlage für viele Klassiker der japanischen Küche. Ihre Geschichte hängt überraschend eng mit der Entdeckung und Verbreitung des fünften Geschmackes Umami und gleichzeitig dem heute verpönten Geschmacksverstärkers Mononatriumglutamat zusammen. Das und viele weitere spannende Details finden sich in dem Text. Härtig ist nämlich nicht nur Fan der Brühe,sondern hat sich auch wissenschaftlich mit der japanischen Küche befasst. Und auch wer den Dashi selbst einmal nachkochen möchte, der findet hier ein paar gute Hinweise:

Wenn man morgens in die Küche des Kikunoi kam, stand dort schon eine Reihe von großen Töpfen auf den Gasbrennern – jeweils mit einem Thermometer versehen, das sechzig Grad anzeigte. Für eine Stunde lagen darin große Kombublätter. Diese Zeitdauer und diese Temperatur, so hatten Versuche des Kikunoi mit der Uni Kyoto gezeigt, extrahiert das Maximum an Umami aus dem Kombu in den Fond. Nachdem er ausgezogen war, brachte man das Wasser auf fünfundachtzig Grad, um dann die Späne des Katsuo für ein paar Sekunden darin ziehen zu lassen. Diese kamen frisch gehobelt von einem Bekannten des Inhabers des Kikunoi, kaum hundert Meter Luftlinie entfernt. Die Aromen dieser Flocken seien sehr flüchtig, erzählten mir die Köche, also sei es wichtig, sie schnell zu verarbeiten.

(Bild: CC-BY City Foodsters)

Atemraubendes Rindfleisch

Stephanie Nolen und Aaron Vincent Elkaim haben für die kanadische Zeitung The Globe and Mail eine grandiose Reportage aus dem brasilianischen Regenwald geschaffen. Mit tollen Bildern und digital top präsentiert zeigen Sie, an welch unterschiedlichem Klein-Klein die Rettung und Erhaltung des Regenwaldes zu scheitern droht. Eine wichtige Rolle spielt dabei die außergewöhnlich ineffiziente und deshalb flächenintensive Landwirtschaft Brasiliens. Da wird Atemluft gegen Rindfleisch eingetauscht. Das mag nur peripher mit dem Thema Kulinarik zu tun haben, aber die handwerkliche und technische Umsetzung ist so gelungen, dass es sich lohnt, die 20 Minuten Zeit zu investieren um mit Nolen und Elkaim durch den Dschungel zu fahren.

There are twice as many cows as there are people in Brazil – but this country has the world’s least productive cattle industry. Canadian farmers raise, on average, seven cows per hectare; here, they raise just one. Forging new pasture for cattle is the single biggest driver of deforestation – responsible for 66 per cent of it.

(Bild: Eine Farm in Mato Grosso, CC-BY paulisson miura)