Die Avocado-Miliz von Mexiko

Wenn man den Witzen glauben darf, ist die Avocado das wichtigste Nahrungsmittel für Millenials. Auf jeden Fall boomt der Markt seit Jahren. Ein wichtiges Anbauland ist Mexiko. Dort gilt die fette Frucht als grünes Gold. Seit einiger Zeit wird auch über die großen Schwierigkeiten berichtet, die der Avocado-Anbau für das Land bedeutet. So schrieb die dpa:

Die Abholzung der Wälder und die intensive Landwirtschaft zerstören nach Einschätzung von Umweltschützer Navia nicht nur das Ökosystem, sondern auch den Zusammenhalt in der Region. 80 Prozent der Wälder in Mexiko gehören Dorfgemeinschaften – sogenannten Ejidos. Die Bewohner verwalten das Land gemeinsam, bestellen es aber individuell. „Wird das Land an mächtige Agrounternehmer verkauft, löst sich das soziale Gefüge auf“, sagt Navia.

In dem Ort Tancítaro hat der große Erfolg der Avocado-Bauern ein ganz anderes Problem gebracht. Das viele Geld hat die Mafia angelockt. Weil der mexikanische Staat in vielen Regionen keine Chance gegen die Ganoven hat, haben die Bauern sich jetzt selbst paramilitärisch organisiert. Anne Ewbank schreibt auf Gastro Obscura:

The avocado producers of Tancítaro decided to fight back. In 2013, they created their own paramilitary. In Mexico, there are a number of local protection forces, but few are as well-equipped as CUSEPT. Members of CUSEPT, a Spanish acronym for “Public Security Corps,” wear uniforms with body armor and carry high-powered weapons. Checkpoints and regular patrols give residents an increased sense of security while warning cartels away. To keep things local, participants are required to be from the area, and the avocado producers provide nearly half of their funding. The government picks up the rest of the bill, and provides training.

Ein gutes Produkt muss eben viel mehr sein als Bio und Fair, Regional und Saisonal. Es wäre auch ganz gut, wenn es nicht auf paramilitärische Privatarmeen angewiesen wäre. Aber hey, früher gab es sogar Staatsstreiche wegen Bananen. Globalisierung ist kompliziert, und Essen ist am Ende auch ein Business und Business bedeutet eben Geld und Machtkämpfe.

(Bild: CC-BY-ND femme run)

makemake maikaʻi

Mir wurde die Poke Bowl vor einiger Zeit mal als aufgerolltes Maki vorgestellt. Tatsächlich haben die Schüsseln mit rohem Fisch ihre Wurzeln aber nicht in Japan, sondern stammen von Hawaii. Dort hat auch Ligaya Mishan ihre Wurzeln. Für die New York Times hat sie sich auf eine Reise zu den Wurzeln der Poke begeben, die auch in unseren Breitengraden immer populärer wird.

I can’t remember the first time I tasted poke, because in Hawaii, where I grew up, it was always there — in a plastic tub from Foodland or Tamura’s or Tamashiro’s, tossed on the table as a snack or a side dish. Never the main event, but always essential: pieces of raw fish seasoned simply, with a few strong ingredients to draw out the taste of the sea.

(Bild: CC BY-SA 2.0 Michael Saechang)

Ein Cheers auf die Monarchie

Wenn im britischen Königshaus gefeiert wird, schafft es auch mal der Boulevard zu Tatar und Theorie. Die BZ berichtet über die Planungen des britischen Parlaments, die strenge Sperrstunde in Pubs ausnahmsweise mal zu lockern, wenn Prinz Harry Hochzeit feiert. Natürlich ein cleverer Move, um zu garantieren, dass die Briten die Hochzeit ihrer Monarchen auch gebührend im ganzen Land feiern. Aber selbst an diesem hohen Feiertag ist nach Abschluss der Geisterstunde dann auch für die Briten Schluss.

Die britische Regierung will anlässlich der Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle die Sperrstunde in den Pubs verschieben. Am Sonntag begannen öffentliche Beratungen über die Pläne, den Alkoholausschank am 18. und 19. Mai bis ein Uhr morgens zu erlauben. Die Bevölkerung solle an dem „historischen Moment bestmöglich teilhaben können”, erklärte Innenministerin Amber Rudd.

Warum es diese Sperrstunden überhaupt noch gibt, ist von hier aus nicht leicht zu verstehen. Laut Weltgesundheitsorganisation trinken die Briten im Durchschnitt sogar mehr Alkohol pro Person, als Deutsche. Es scheint also kein geeignetes Mittel zu sein, Alkoholkonsum zu beschränken. Daheim ist der Stoff eh billiger, als im Pub.

(Bild: CC BY-ND 2.0 UK in Italy)

Kellnernde Roboter und Fabrik-Fleisch

Damals, bei Louis de Funès in Brust oder Keule, war der Einsatz hochmoderner Technik in der Gastronomie noch ziemlich verpönt. Lange Zeit schien es so, als sei der technische Fortschritt nur dem Fertigessen und Fast Food vorbehalten und gutes Essen müsse zwangsläufig irgendwie wie in der guten alten Zeit produziert und serviert werden. Im Jahr 2018 ist diese Debatte deutlich komplexer geworden. Mittlerweile sind Menschen bereit, große Summen für künstliches In-Vitro-Fleisch aus dem Labor zu zahlen, für das keine Tiere sterben mussten. Die radikalen Tierschützer von peta haben sogar einen Preis von Einer Millionen Dollar ausgesetzt. So lieb sind den Tierschützern die Fleischfresser.

Mir bereitet das alles dann doch ein gewisses Unbehagen. Deutlich besser gefällt mir da das Lego-Restaurant, das Lars Hinnerskov Eriksen bei Vice vorstellt. Da sitzen in der Küche nämlich noch echte Köche, aus Fleisch und Blut, und auch die Zutaten sind eher Bio als Techno. An der Kreation der Menüs war das Team des Sternerestaurants Kadeau beteiligt. Spielerisch automatisiert wurden dafür die Kellner. Das sind nämlich tatsächlich Lego-Roboter. Bei denen bestellt man nicht per Sprachsteuerung, sondern mit Lego-Steinchen.

Die Speisekarte zeigt uns die vier Kategorien auf, aus denen wir unser Essen zusammenstellen können: Hauptgericht, rohes Gemüse, gekochtes Gemüse und Beilagen. Durch einen roten 4×1-Legostein wird klar, dass ich glasierte Schweineschulter als Hauptgang will, während ein blauer 2×1-Stein für Kartoffelpüree mit eingelegten Senfkörnern steht. Insgesamt muss man pro Kategorie einen Stein auswählen und eine Figur zusammenbauen, die man erst in eine Art Kassette und anschließend in den Computer einführt. Das Gerät erkennt dann, was man bestellen will.

Klingt drollig und schmeckt, wenn wir Eriksen glauben können, richtig gut. Schon allein die Auswahl der Gericht hebt sich angenehm vom fettige-Pommes-Freizeitpark-Standard ab:

gegrillte Zucchini in Holunderblüten-Essig, Buchweizen-Nudeln mit Sesam oder in Salz gebackene Selleriewurzel mit brauner Butter. Und auch das Hähnchen klingt sehr verlockend. Das Problem: Ich will als Hauptspeise auch den gebackenen Dorsch mit Tartar-Soße probieren.

Wer ein bisschen mehr Geld ausgeben möchte, der findet im Lego House Billund außerdem noch ein Gourmet-Restaurant mit dem einfallsreichen Namen „Le Gourmet“. Dort sind die Kellner dann sogar Menschen, das klingt ja fast schon wieder ein bisschen langweilig:

LE GOURMET has all the building blocks of a Nordic cuisine/French brasserie gourmet experience – combined and served in new, delicious, creative ways. You will find (almost) no LEGO® bricks here, but LEGO values, quality, and creative play with seasonal ingredients, exquisite wines, drinks (and décor) are always on the menu. Our chefs invite you to unlearn what you know about gourmet, play with your senses, and we hope to challenge your expectations of fine dining!

Dann doch lieber gleich ins Original gehen.

Die dümmsten Food-Trends 2017

Ein neues Jahr steht vor der Tür. Bevor man diese Tür öffnet, um sich auf dem Weg nach 2018 zu machen, lohnt ein Blick zurück auf vergangene Fehler, damit wir diese nicht wiederholen müssen. Felicity Cloake hat für den Guardian die dümmsten Food-Trends 2017 gesammelt. Das scheint auf den ersten Blick nur ein dummes Listicle im Buzzfeed-Style zu sein. Für ein deutsches Publikum scheint es mir aber doch ganz spannend. London ist die Food-Trend Hauptstadt Europas, und manchem gescheiterten Experiment von dieser Liste steht die breite Markteinführung in Deutschland erst noch bevor. Die Aktivkohle zum Färben von Eis oder Burgerbrötchen gibt es hier grade an jeder Ecke und Cloake hat recht: Geschmacklich ist das Grütze. Spannend ist aber wohl auch der Gesundheitseffekt. „Not only does it taste awful, but there’s no evidence of any health benefits unless you’ve already been poisoned, in which case you probably shouldn’t be eating pizza. In fact, so effective is charcoal at absorbing chemicals that it can affect prescription medication, too.“ Gemüse-Joghurts und Cloud Eggs wurden mir hierzulande noch gar nicht angeboten. Mit Cloake können wir also ein wenig in die Kristallkugel schauen, welche Dummheiten uns vermutlich noch bevorstehen – 2018 wird aufregend.

(Bild: CC BY-SA 2.0 magnoid)

 

Erwartung vs Realität

Das mit den Produktfotografien auf Speisekarten ist ja meist so eine Sache. Die Dönerbude meiner Jugend hatte so schlampig geschossene Fotografien über der Theke hängen, dass die echten Teller um Welten besser aussahen. Oft ist es aber eher andersrum, und das servierte Essen hat Probleme, mit der professionellen Studiofotografie mitzuhalten.

Der Reddit-Nutzer DoktorvonKvantum hat das obige Beispiel aus Japan gefunden, bei dem Speisekartenbild und Teller sich verdächtig ähneln. In dem Thread berichten einige Nutzer, dass das wohl teilweise Vorgaben in der Gastronomie seien. In Japan gibt es ergänzend zur Speisekarte oft auch Plastikmodelle der Speisen, die in Schaufenstern ausliegen, um den Kunden ins Restaurant zu locken. Die Japan Times hat einen spannenden Artikel zum Thema.

Journalist Yasunobu Nose has a theory that links the plastic replicas to the visual aesthetic of Japanese food appreciation. In his book titled “Me de taberu Nihonjin (Japanese People Eat With Their Eyes),” Nose writes that food samples are part of the Japanese tendency to “first ‘taste’ dishes by sight, then eat with their mouths and stomachs.”

Das Auge scheint in Japan noch ein bisschen mehr mit zu essen als bei uns. Wobei, beim Thema Fast Food spielen Ost und West wohl in derselben Liga:

Japan Expectation Reality

„Ein Münchner in Kemerowo würde sich wie zuhause fühlen“

Da Weihnachten ja neben gutem Essen und viel Alkohol vor allem Stress bedeutet, heute nur ein kurzer Text. Aus München. Oder aus Westsibirien. Denn dort gibt es jetzt auch ein Hofbräuhaus und weil die Hofbräu tatsächlich dem Bayerischen Finanzministerium gehört, ist das wohl irgendwie auch ein Abschiedsgeschenk des scheidenden Finanzministers Markus Söder an das globale Bayerntum, bevor er sein Amt als Ministerpräsident antritt. Sollte der bayerische Staatschef sich in Zukunft mal mit dem russischen Staatschef austauschen müssen, gibt es dafür ja jetzt den perfekten Treffpunkt.

Der Satz in der Überschrift, mit dem Münchner in Kemerowo, den soll übrigens auch der scheidende Heimatminister und werdende Ministerpräsident Söder gesagt haben. Welche besondere Bedeutung Essen aus der Heimat für jene hat, die ihre Heimat verloren haben, zeigt dieser spannende Text von Vice aus einem türkischen Flüchtlingslager.

(Bild: CC BY-SA 2.0 Roger W)

Werbeverbote helfen gegen Fast Food

Die kanadische Provinz Quebec hat 1980 ein Gesetz eingeführt, welches Fernsehwerbung für Kinder in Programmen verbietet, die von Kindern geguckt werden. Das erste Ergebnis dieser Maßnahme war eine drollige Rotation der Anzeigenformate.

Under the three-decades-old Quebec Consumer Protection Act, television shows with an audience made up of at least 15 per cent of kids cannot air child-targeted ads. Instead, ads for cars or dishwasher detergent are aired during Saturday morning cartoons while adult-friendly programmed is usually paired with toy ads.

Etwas spannender ist jedoch eine Studie, über die das kanadische Nachrichtenunternehmen Global News 2012 berichtet hatte. Nach dreißig Jahren scheint das Gesetz, welches auch Spielzeugwerbung betrifft, einen deutlichen Einfluss auf die Gesundheit von Kindern zu haben.

After sifting through the StatsCan data to compare the spending and eating habits of households in Quebec and Ontario, where the ban wasn’t in affect, the study suggested that the ban cut money spent on fast food in Quebec by 13 per cent per week. Dhar and Bayles estimated that the steep cut in expenses meant a decrease of 11 million to 22 million fast food meals eaten per year, or 2.2 billion to 4.4 billion fewer calories consumed by kids.

Die Autoren der Studie verweisen auch darauf, dass Fast-Food-Unternehmen sich gezielt an Kinder richten, um eine lebenslange Beziehung zur Marke zu starten. Langfristig hilft ein solch spezialisiertes Werbeverbot anscheinend nicht nur den Kindern, sondern auch den späteren Erwachsenen, sich besser zu ernähren. Das ist nicht nur gut für den Körper, sondern auch den Gaumen. Verfälschte Aromen, übertriebene Würzen und schlechte Produkte sind besonders im Fast Food die Regel. In Deutschland scheinen höchstens die Grünen ähnliche Regelungen zu fordern.

(Bild: CC BY-NC 2.0 Daremoshiranai)

 

Praxisbeispiel Gastrochauvinismus: Italians Mad At Food

In ihrem sehr lesenswerten Buch „Identität geht durch den Magen. Mythen der Esskultur“ hat die Literaturwissenschaftlerin Christine Ott  den Begriff des Gastrochauvinismus eingeführt, der eine herablässige Verachtung mancher Länderküchen gegenüber anderen Formen der Esskultur ausdrücken soll. Ein besonders unterhaltsames Beispiel für Gastrochauvinismus im Bereich Social Media bietet der Twitteraccount Italians Mad At Food. Viel Spaß beim Schmökern, Ärgern und Lachen.

 

Viva la Margherita! Hoch die Calzone!

Die Pizza ist jetzt Weltkulturerbe und da muss sich die Zeit als Fachblatt für Weltkultur dem Thema natürlich annehmen. Jana Weiss hat eine schöne Verteidigungsschrift der Pizza geschrieben, die man problemlos unterschreiben kann.

Eine Gegenbewegung zum kapitalistischen Leistungswahn, der uns alle dazu bringen will, mit Stäbchen zu essen und Kleidergröße 36 zu tragen. Aber ich und meine Pizza, wir machen da nicht mit.

Nicht ganz so nachvollziehbar scheint mir dagegen die Entscheidung der UNESCO. Klar, Pizza ist prima, aber im Unterschied zum Dresdner Elbtal ist sie halt echt nicht bedroht und so was von allgegenwärtig, als nächstes könnte man dann Leitungswasser, Fensterglas und das Lenkrad zum Weltkulturerbe erklären. Aber die Antilopen Gang hat sicher recht, Pizza wird uns nochmal richtig retten:

Auf jedem Kontinent und in jeder Kultur/
Findest du sowas wie Pizza oder ein Pendant dazu/
Es geht von Tansania bis zur Münchner Schickeria/
Eines Tages wird die ganze Welt zu einer Pizzeria

(Bild: CC BY-ND 2.0 Pierre Wolfer)