Kochen ist Chemie

Die FAZ hat aktuell eine schöne Serie über die Molekularküche mit dem Physiker Thomas Vilgis. Im großen Interview weiß er er manch Spannendes zum Wesen und Werden des großen Küchentrends der 90er zu berichten. Spannend ist sein schneller, historischer Abriss, weil für ihn die Molekularküche mit Sous-vide beginnt und Sous-vide die heute verbreiteteste Technik der Molekularküche ist.

Eines der wichtigen Molekularküche-Themen ist das „Sous-vide“, das punktgenaue Garen. Dieses kam schon in den siebziger Jahren auf. Das konsequente Hineintragen von industriellen Methoden in die Gastronomie begann aber mit der spanischen Küchenrevolution um Ferran Adrià in den neunziger Jahren. Daraus entwickelte sich ein richtiger Hype, der so lange anhielt, bis sich viele Gäste darüber beklagten, dass sie keine echten Gerichte vorgesetzt bekämen. Serviert wurden um die zwanzig Gänge, zum Teil sehr kleine Portionen, die immer von einem bestimmten Effekt lebten. Da gab es teilweise ein Schnapsglas voll mit Wasser, auf dem eine kleine Portion Olivenöl mit ein paar Aromen schwamm. Das war sehr beeindruckend, tatsächlich hat man das Lokal aber nach 20 Gängen hungrig verlassen.

Getreu der Überschrift „Molekularküche kann jeder“ bringt die FAZ auch tolle Rezepte zum Thema. Nach dem Interview gibt es ein Rezept für Kaviar aus Bier. Etwas einfacher in der Umsetzung sind die Rezepte mit flüssigem Stickstoff aus dem Folgeartikel. Hoffentlich geht die Serie noch weiter.

Zum Schluss noch ein praktischer Tipp aus dem zuerst verlinkten Interview:

Nehmen Sie saure Gurken. Viele schütten den Sud weg. Das ist völlig falsch. Man kann ihn mit ein wenig Xanthan aufmischen und bekommt eine schöne Creme, die hervorragend zum Braten oder zum Tafelspitz und vielen anderen Gerichten passt.

Das Interessante an der Molekularküche ist vielleicht auch: Es muss eigentlich kaum mehr etwas weggeworfen werfen. Man kann aus allem bei spezieller Behandlung etwas machen.

Ja, ich werfe fast nichts mehr weg, außer es ist angefault.

Wir sollten alle Molekularköche wären. Dank FAZ wird das jetzt schon mal etwas einfacher. Wer Lust auf mehr hat, Vilgis hat auch ein schönes Buch zum Thema verfasst. Bei Valentinas Kochbuch gibt es eine Rezension. Weiß jemand, wo man flüssigen Stickstoff kaufen kann?

(Foto: Louis Reed on Unsplash)

Ganze Taube mit Popcorn-Pulver

Gisela Reiners hat für die Welt ein schönes Portrait über Christian Scharrer geschrieben. Im Mittelpunkt steht ein Rezept des Sternekochs. Beim Etouffée Taube kombiniert er allerlei von der Taube mit einem Popcorn-Pulver. Für Letzteres kauft er tatsächlich gewöhnlichen Popcorn-Mais, poppt diesen in der Pfanne und zermahlt ihn dann zu feinem Pulver. Dabei ist Scharrer nicht nur großer Handwerker, sondern verbindet mit dem Gericht auch eine Nachhaltigkeits-Botschaft:

Warum überhaupt zwei Gänge aus dem einen Tier? Scharrer findet klare Worte: „Ich finde es unanständig, von einem Tier nur die als edel bezeichneten Teile zu verwenden, bei der Taube also die Brust. Soll man die Mägen, Keulen und anderes einfach wegwerfen? Außerdem erfordert die Zubereitung der Innereien und anderer Teile richtig gutes Handwerk. Da ginge also viel Wissen und Geschicklichkeit verloren.“

(Bild: CC-BY Esin Üstün)