Lachen in der Zwiebelkrise

Eine zerfallende Wirtschaft, ein despotischer Präsident und ein unerklärter Bürgerkrieg gegen Teile der eigenen Bevölkerung – die Türkei hat aktuell so einige Krisen. Über eine kleine Krisen, die neben den großen, dramatischen Krisen, weniger Aufmerksamkeit erfährt, berichtet die BBC: Die Zwiebelkrise. Der Verfall der Währung und die allgemein schlechte Ökonomie am Bosporus hat die Preise für das beliebte Gemüse in die Höhe geschraubt. Das kann Erdogan so natürlich nicht akzeptieren und schiebt deshalb die Schuld auf gemeine Spekulanten, die die Zwiebeln horten würden, um die Preise künstlich zu erhöhen. Das erinnert schon alles sehr an die letzten Tage der DDR…

President Erdogan states: „There will be no compromise“ if people are found hoarding the vegetable. Onions are four times more expensive than they were at the beginning of 2018. Agricultural experts say there are many reasons for this rise – not just stockpiling – and that raids on warehouses will not solve the problem in the long term.

Aber eine Gruppe hat natürlich gut lachen: Social Media Nutzer. Die haben jede Menge alberne Witzchen zur Zwiebelkrise. Besonders drollig fand ich folgenden Cartoon, den Twitter User Şaban Dilsiz geteilt hat. Der Polizist sagt „Oha, eine Zwiebel!“ und der arme Mann verteidigt sich mit „Ich schwöre, dass ich sie essen wollte und nicht verkaufen.“

Die vielleicht berühmteste Wirtschaftskrise der Vormoderne war übrigens auch eine Zwiebelkrise. Damals ging es jedoch um Tulpenzwiebeln. Der Handel mit diesen löste im 17. Jahrhundert quasi den ersten Börsencrash aus. Wo? Natürlich in den Niederlanden.

Auf Auktionen erzielten einzelne Zwiebeln – nach heutigem Wert – 25 000 Euro oder mehr. Rembrandt erlöste damals mit einem Gemälde weniger, obwohl er gut im Geschäft war. Alle Rekorde brach schließlich auf dem Höhepunkt der Tulpenmanie die „Semper Augustus“ – eine weiß-rot gestreifte Tulpe, für deren Zwiebel man heute umgerechnet eine Million Euro bezahlt hätte.

Von diesen Höhen ist der türkische Zwiebelpreis noch weit entfernt und wir wollen hoffen, dass er das auch bleibt. Denn ohne Zwiebeln macht das Kochen nur halb soviel Spaß.

(Foto: Thomas Evans on Unsplash)

Bio-Netzwerke

Letzte Woche lief im Regionalprogramm des Hessischen Rundfunks die sehr gute Dokumentation „Alles Bio“ von Bettina Schrauf aus der Reihe „Erlebnis Hessen.“ Die ist auch für Nicht-Hessen interessant, weil sie exemplarisch ein Netzwerk vorführt, in dem Bio-Landwirtschaft und Bio-Gastronomie gelingen kann. Im Mittelpunkt der Dokumentation steht das Weissenstein, ein Mix aus Bioladen und Restaurant, in dem nur regionale Bio-Zutaten verwendet werden. Das klingt im aktuellen Hype schon fast gar nicht mehr so besonders, aber die Doku zeigt anschaulich, welche komplizierten Lieferwege und Strukturen notwendig sind, damit Bio-Fans in der Stadt und Bio-Bauern auf dem Land zusammen kommen, ohne dass Großhandel, Supermärkte und andere dazwischen funken.

So macht diese Doku nicht nur Appetit auf besseres Essen und Lust auf einen Nordhessen-Urlaub, sondern ist auch eine gute Inspiration, um ähnliche Netzwerke in anderen Regionen hochzuziehen. Denn gerade auf dem immer schwierigeren Bio-Markt gilt weiterhin Rio Reiser: „Allein machen sie dich ein“ und ehe man sich versieht, hat man irgendwelche Freien Wähler in Niederbayern unterstützt.

(Foto: Andreas Hermsdorf  / pixelio.de)

Atemraubendes Rindfleisch

Stephanie Nolen und Aaron Vincent Elkaim haben für die kanadische Zeitung The Globe and Mail eine grandiose Reportage aus dem brasilianischen Regenwald geschaffen. Mit tollen Bildern und digital top präsentiert zeigen Sie, an welch unterschiedlichem Klein-Klein die Rettung und Erhaltung des Regenwaldes zu scheitern droht. Eine wichtige Rolle spielt dabei die außergewöhnlich ineffiziente und deshalb flächenintensive Landwirtschaft Brasiliens. Da wird Atemluft gegen Rindfleisch eingetauscht. Das mag nur peripher mit dem Thema Kulinarik zu tun haben, aber die handwerkliche und technische Umsetzung ist so gelungen, dass es sich lohnt, die 20 Minuten Zeit zu investieren um mit Nolen und Elkaim durch den Dschungel zu fahren.

There are twice as many cows as there are people in Brazil – but this country has the world’s least productive cattle industry. Canadian farmers raise, on average, seven cows per hectare; here, they raise just one. Forging new pasture for cattle is the single biggest driver of deforestation – responsible for 66 per cent of it.

(Bild: Eine Farm in Mato Grosso, CC-BY paulisson miura)

 

 

Neonröhren als Zukunft der Landwirtschaft

London – Der Ausflug ins Grüne führt an einem faustdicken Stahlkabel 33 Meter in die Tiefe. Langsam ruckelt die Kabine abwärts, lässt den hektischen Großstadtdschungel mit seinen Betonfassaden und Fastfood-Geschäften in Westlondon hinter sich zurück. Es ist eine Reise in die Vergangenheit der Stadt – und zugleich in die Zukunft der Agrarwirtschaft.

Genau aus jener unglaublichen Zukunft der Agrar-Wirtschaft berichtet die kurze Reportage von Fabian Wegener im Standard. Er berichtet von einem Start Up, welches in unterirdischen Bunkern aromatische Gemüse und Kräuter züchtet. Er zeigt eine Szenerie, die an Breaking Bad erinnert und gleichzeitig völlig aufgeladen ist mit utopischen Hoffnungen. Er erzählt von einer komplett neuen Art, Landwirtschaft in urbanen Zentren zu denken und er zeigt ein weiteres Zukunftsprojekt, welches durch den Brexit bedroht ist.

Über die futurologische Relevanz des Vertical Farmings berichtete auch diese kurze ARTE-Doku:

Die Gemüsefabrik produziert täglich zwischen 1000 und 1300 Salatköpfe.

(Bild: CC BY 2.0 Paolo Marco Ripamonti)

 

Fette Viecher

Für das neue Jahr sei den Lesern von Tatar und Theorie (ein exklusiver Club von 3-4 sind es derzeit) viel Glück gewünscht. Viel Glück im Großbritannien des 19. Jahrhunderts, das war übrigens ein Gemälde von einer möglichst fetten Kuh – oder einem fetten Schwein, oder Schaf oder Stier. Gastro Obscura berichtet über die überraschend geometrischen Tiere, deren Abbildungen reiche Bürger sich damals als Statussymbol an ihre Wände hängten.

The early 1800s was the peak of livestock painting. Often the subject was racehorses, painted in slender lines denoting their speed and grace. But for farm animals, corpulence was key. In the paintings, the cow, sheep, and pigs are massive, yet oddly supported by only four spindly legs. Sometimes, their owner is painted in as well, proudly looking over their creation. Other times the animal stands alone, seemingly ready to eat a nearby village. The simple style is often referred to as rustic or “naive” art, even though the subjects were animals belonging to a wealthy elite. The resulting images were part advertisement and part spectacle.

In diesem Sinne also ein frohes Jahr voll fetter Viecher!

(Bild: Yale Center for British Art/Public Domain)

„Hier zeigt das Glyphosat die ganze Bandbreite seiner zahlreichen Aromaeffekte“

Die Titanic-Redaktion hat unter dem Namen von Kulinarik-Papst Jürgen Dollase als Reaktion auf die allgemeine Glyphosat-Panik eine drollige Gastrokritik des Pflanzengiftes geschrieben.* Wer sich tatsächlich darüber informieren möchte, wie gefährlich der Stoff nun für Menschen ist, dem sei dieser sehr faire Artikel von Jakob Vicari aus dem Greenpeace-Magazin empfohlen. Der Artikel klärt nicht nur darüber auf, welche alarmistischen Studien eher unseriös sind, sondern kommt auch auf die eher problematischen Seiten eines Glyphosat-Verbotes zu sprechen:

Wie viele Experten befürchtet auch er [Matthias Kästner, Mikrobiologie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig], dass Alternativen tendenziell sogar gefährlicher sind. Glyphosat ist immerhin biologisch abbaubar.

Immerhin, wer privat aus dem Glyphosat aussteigen möchte, für den kennt das Greenpeace-Magazin eine einfache, aber nicht ganz günstige, Option:

Eine Alternative gibt es längst: Die biologische Landwirtschaft mit ihren mechanischen Ansätzen zur Unkrautbeseitigung und der intelligenten Fruchtfolge gilt weithin als bester Ausweg aus der Glyphosat-Spirale. Klare Empfehlung: Wer Glyphosat und andere Pestizide so gut es geht vermeiden will, sollte zu Bioprodukten greifen. Die baden-württembergische Lebensmittelüberwachung fand 2015 in Obst und Gemüse aus biologischem Anbau hundertmal weniger Rückstände als in konventionell gewachsenen Früchten.

Ob die moderne Landwirtschaft komplett ohne Pestizide denkbar ist, daran hat zumindest Lars Fischer bei Spektrum erhebliche Zweifel.

*Als regelmäßiger Dollase- und Titanic-Leser muss ich mir die Bemerkung erlauben, dass es schon treffendere Parodien gegeben hatte. Einzelne Sätze wie „Das dazu gereichte, ebenfalls glyphosathaltige Pilsner aus der Radeberger Brauerei schafft mit seinen flüssigen Bitternuancen einen sensorischen Ausgleich zum knackigen Gemüse“ sind fabelhaft getroffen, insgesamt verliert der Text sich aber zwischen den beiden Missionen, sich sowohl über Dollase lustig zu machen, als auch ernsthaft über Glyphosat zu empören.

(Bild: CC BY-ND 2.0 StevanBaird)