Ich ess Blumen…

…denn Tiere tun mir leid? Nein, hier geht es weder um die Ärzte noch deren Song über anstrengende Vegetarier von 1988. Hier geht es um traditionelle, italienische Landküche. Die kann nämlich viel mehr außer Pizza und Pasta. Vittoria Traverso hat bei Gastro Obscura einen wundervollen Text über Elena Rosa geschrieben, die die vergessene Kunst des Kochens mit Blumen zurück nach Italien bringt und dafür sogar einen alten Dialekt lernen musste.

PICKING, COOKING, AND EATING FLOWERS and wild herbs was once a common practice across rural Italy. From Naples’ sciurilli (deep fried courgette flowers) to Veneto’s frittelle di fiori de gazia (acacia flowers doughnuts), most regions have a dish whose key ingredient is flowers. But after World War II, industrialization and urbanization led to the abandonment of this ancient tradition.

Im Grunde ist es mal wieder eine Slow-Food-Geschichte. Die Industrialisierung setzt Standards auf weiter Fläche durch und verdrängt gleichermaßen Hunger, Unterernährung und regionale Sonderwege – einer dieser Effekte ist doof.

Italy’s post-war industrialization affected farming practices, too. Many farmers switched to lucrative monocrops to meet market demand. In the span of a generation, traditional folk knowledge of wild plants was lost. The only keepers of such ancient notions are elderly people living in rural areas.

Am interessantesten ist wohl ein Absatz über die unterschiedlichen Aromen und Inhaltsstoffe verschiedener Blumen:

She now grows roughly 200 different seeds, ranging from rare vegetables to wild plants and flowers including nasturtium, cornflower, and dahlias. “I have learned that flowers are very nutritious and can be used for a vast range of recipes,” Rosa says. “Take bright-orange Nasturtium flowers. They are rich with Vitamin C and each of their components can be [used in different food preparations].” Nasturtium seeds, for example, can be ground to make pepper, blossoms marinated to make vinegar, and petals eaten raw or sautéed with butter. The velvety white leaves of begonia semperflorens are particularly interesting: They taste just like citrus fruit and can be used to season seafood dishes instead of lemon.

(Drollige Beobachtung am Rand. Es ist schön, wenn Dinge übersetzt werden, aber die folgenden beiden Übersetzungen scheinen mir doch sehr offensichtlich:

Tozzetti’s 1767 treaty titled De alimenti urgentia, which literally means “Of urgent aliments,”

und

Elena Rosa, whose last name literally means “Rose,”

aber sicher ist sicher)

(Foto: Photo by James Wainscoat on Unsplash)

Reh am Stück

Fabian Grimm ist Jäger und Blogger. Er isst nur Fleisch von Tieren, die er selbst gejagt hat und dann schreibt er spannende, kurze und schön lesbare Texte über seine Philosophie, Essen und Leben im allgemeinen. Besonders gut gefallen hat mir sein aktueller Beitrag zum Thema Reh und Weihnachten.

Heiligabend muss ein Rehrücken auf dem Festtagstisch landen, zumindest werde ich von Bekannten, Verwandten und immer öfter auch per Mail beinahe ausschließlich nach diesem Teilstück gefragt.

Ich selbst verkaufe kein Wild, weiß aber, wo man welches bekommt: Schlage ich den Leuten dann allerdings vor, sie könnten sich doch einfach ein ganzes Reh beim Forstamt kaufen, ernte ich ungläubiges Staunen: ein  g a n z e s Reh? Wer soll das denn bitte alles essen, wie soll man das verarbeiten und wo wird das viele Fleisch gelagert, bis es so weit ist? Unmöglich, völlig unmöglich! 

Damit das nicht so bleibt, hat er einen tollen Text darüber geschrieben, wie man ein ganzes Reh von Hirn bis Hoden schmackhaft zubereiten kann.

(Foto: Photo by Siska Vrijburg on Unsplash)

Bio-Netzwerke

Letzte Woche lief im Regionalprogramm des Hessischen Rundfunks die sehr gute Dokumentation „Alles Bio“ von Bettina Schrauf aus der Reihe „Erlebnis Hessen.“ Die ist auch für Nicht-Hessen interessant, weil sie exemplarisch ein Netzwerk vorführt, in dem Bio-Landwirtschaft und Bio-Gastronomie gelingen kann. Im Mittelpunkt der Dokumentation steht das Weissenstein, ein Mix aus Bioladen und Restaurant, in dem nur regionale Bio-Zutaten verwendet werden. Das klingt im aktuellen Hype schon fast gar nicht mehr so besonders, aber die Doku zeigt anschaulich, welche komplizierten Lieferwege und Strukturen notwendig sind, damit Bio-Fans in der Stadt und Bio-Bauern auf dem Land zusammen kommen, ohne dass Großhandel, Supermärkte und andere dazwischen funken.

So macht diese Doku nicht nur Appetit auf besseres Essen und Lust auf einen Nordhessen-Urlaub, sondern ist auch eine gute Inspiration, um ähnliche Netzwerke in anderen Regionen hochzuziehen. Denn gerade auf dem immer schwierigeren Bio-Markt gilt weiterhin Rio Reiser: „Allein machen sie dich ein“ und ehe man sich versieht, hat man irgendwelche Freien Wähler in Niederbayern unterstützt.

(Foto: Andreas Hermsdorf  / pixelio.de)

Die Großstadt konsumiert Gastronomen

Wolfgang Oelrich hat in der FAZ ein schönes Portrait über Reiner Neidhart geschrieben, der so eine art Gastro-Heiliger für die Wetterau ist. Ausgebildet wurde er im nahen Frankfurt, im Grand Hotel Frankfurter Hof. Spannend ist, wie er heute über die Gastroszene der Stadt denkt:

 „Das ist nichts für mich“, antwortet er dann. „Dort wirst du als Gastronom konsumiert. Dauernd musst du einen neuen Kick liefern. Ich bleibe lieber in der Kleinstadt und authentisch.“

Der Gang in die Provinz hat sich ausgezahlt. Im letzten Guide Michelin wurde Neidharts Küche mit einem Bib Gourmand geehrt. Das Drei-Gänge-Menü gibt es bei ihm für 35 bis 40 Euro.

(Bilder: ein ungewöhnlicher Blick auf die Frankfurter Skyline/ CC-BY Matthias Ripp)