Kein Alkohol ist noch keine Lösung

Die Freie Presse hat in Dresden zu einer besonderen Testrunde geladen. Gemeinsam mit Silvio Nitzsche und seinem Team aus der legendären Weinkulturbar, haben die Journalisten sich durch 26 alkoholfreie Winzerweine durchgetrunken. Dass diese boomen, hat einerseits mit einem geänderten Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung zu tun, andererseits aber auch mit dem lukrativen Nahost-Markt. Europäische Luxus-Artikel verkaufen sich immer besser in den Diktaturen der arabische Scheichs, und da möchten viele Winzer nicht hintenanstehen, nur weil Allah keinen Alkohol mag. Auch in Skandinavion scheint der Entalkoholisierte recht beliebt zu sein.

Alkoholfreier Wein war zuerst richtiger Wein, dem Alkohol entzogen wurde. Das geschieht heute meist über Vakuumisierung. Dadurch wird die Siedetemperatur des Alkohols, die normalerweise bei 78 Grad Celsius liegt, auf 30 Grad gesenkt. So kann der Alkohol ohne große Aromenverluste entzogen werden, und die förderlichen Inhalte wie Spurenelemente, Phenole und Enzyme bleiben enthalten.

Das Urteil der Dresdner Testrunde ist trotz aller Wissenschaft ziemlich durchwachsen. Alkoholfreie Schaumweine „könne“ man mal servieren, Weiß- und Roséweine „könne“ man auch mal probieren, die Rotweine sind hingegen komplett durchgefallen. Oft scheint Saft heute noch die bessere Option, weil hier schon länger ausprobiert wird. Ich erinnere mich an eine exzellente Begleitung mit Säften und Secco aus der Kelterei Van Nahmen zu einem großen Menü bei Armin Treusch im Odenwald. Zu einem ähnlichen Urteil kam Falstaff Anfang des Jahres auch:

Wir wollen der Produktgruppe keinesfalls ihre Berechtigung absprechen, es gibt genügend Menschen, die aus medizinischen und religiösen Gründen keine alkoholischen Getränke konsumieren. Für den fastenden Weinfreund jedoch stellen alkoholfreie Weine im Gegensatz zu alkoholfreien Bieren aus rein geschmacklichen Gründen heute noch keine echte Alternative dar. Sie sind ein Nebenprodukt der Weinindustrie, das sich gezielt an Nichtweintrinker richtet.

Unser Rat ist so simpel wie wirksam: Verzichten Sie doch lieber ganz auf Wein, wenn Sie fasten.

Also, geschmacklich scheint es noch Defizite beim alkoholfreien Wein zu geben. Dafür scheint dieser aber ähnlich berauschend wie der mit Alkohol.

Die Jury fühlt sich schon leicht beschwipst. Alles Einbildung? „In Blindversuchen hat sich gezeigt, dass Trinker von Weinen ohne Alkohol die gleiche Fröhlichkeit zeigten wie die von normalem Wein“, sagt der Sommelier.

Liegt’s an der sozial gelernten Situation des Weintrinkens oder den 0,5% Restalkohol? Schwer zu sagen. Aber wer als Fahrer schon mal eine Weinprobe mit Saft und Wasser durchgestanden hat, der kennt den Effekt vielleicht auch. Wenn alle andern albern sind, bleibt es schwer, ernst zu bleiben – Passiv betrinken ist immer eine Option.

(Foto: John Murzaku on Unsplash)

Wie die Muslime den Schnaps erfanden

Alkohol in irgendeiner Form scheint die Menschheit seit Adam und Eva zu trinken. Die Wikipedia verweist auf über 4000 Jahre alte Texte, auf denen bereits die Herstellung von Drinks behandelt wird. Angesichts dessen scheint es doch überrascht, dass die Basis der meisten hochprozentigen Getränke, die Destillation, erst im 8. Jahrhundert nach Christus erfunden wurde. Anne Ewbank von Gastro Obscura stellt uns die beiden muslimischen Alchemisten Abu Musa Jabir ibn Hayyan und Muhammad ibn Zakariya al-Razi vor, die das Destillieren, und damit auch den Schnaps erfunden haben. Davon berichtet noch heute das Wort Alkohol – zumindest dem etymologisch geschulten Leser.  Das Wort beginnt nämlich mit einem Al wie in Al Kaida oder Al Dschasira und ist vom arabischen الكحول (al-kuḥūl) abgeleitet.

Before the Islamic Golden Age, people worldwide used crude methods of distillation, such as leaving booze out in the cold and drinking what wouldn’t freeze. And the basic principles of distillation were known by ancient Greek and Egyptian scholars, including Aristotle. But the roots of modern distillation technology began with the semi-mythical Persian alchemist Abu Musa Jabir ibn Hayyan.

Also, beim nächsten Whiskey oder Gin ruhig auch mal dankend gen Morgenland prosten. Heute ist man in der islamischen Welt vielerorts mit dem Alkohol auf Kriegsfuß. Die Türkei verschärfte ihre restriktive Alkoholpolitik zuletzt so weit, dass das Raki-Festival von Adana sich in Kebap-Festival umbenennen musste. Das war nicht immer so in der arabischen Welt, aber oft, wie Ewbank schreibt:

Though liquor was finally easy to obtain, it wasn’t always drunk. Islamic society during the Golden Age swang between outright bans and surprising permissiveness when it came to booze. This phenomenon was epitomized by the lifestyle of the famous poet (and mathematician) Omar Khayyam, who rhapsodized about “a jug of wine, a loaf of bread, and thou.” But the alcohol derived from distillation was often put to work: as lamp fuel and as antiseptic.

(Bild: Photo by Wine Dharma on Unsplash)

Saftladen

Nikolas Rechenberg berichtet davon, wie Sebastian Frank mit Säften und Essenzen seine preisgekrönte Küche optimiert. Von einfachem Apfelsaft bis zu Drinks mit Molke, Meerrettich und Leindotteröl scheint seine Phantasie keine Grenzen zu kennen. Dem Guide Michelin gefällt das. In der letzten Ausgabe gab es zwei Sterne für sein Restaurant HORVÁTH.

Mit der „Essenz meines Lebens“ begibt sich der Österreicher mit Produkten von Orten seiner Kindheit und seiner kulinarischen Karriere auf eine Reise. Mais und Getreide aus Niederösterreich, Pilze, Wasser und Steine aus der Steiermark und Schaufelbraten oder Schulterscherzl aus Wien sind die Zutaten für eine einzigartige Suppe, die er schließlich in seinem Berliner Restaurant serviert. Er verwendet für den letzten Schritt der Zubereitung einen Cold Dripper und lässt den Fond aus geröstetem Mais und Getreide, getrocknetem Fleisch, Wasser und Pilzen durch die zerschlagenen Steine laufen.

Dabei probiert Frank nicht nur neue Zubereitungstechniken aus, sondern markiert wohl auch eine Zeitenwende. Während es früher selbstverständlich war, zu gehobenen Menüs eine Weinbegleitung zu bestellen, ist der Alkohol heute gleich von mehreren Seiten unter Attacke. Gesundheitsfreunde warnen vor den Schäden des Rauschmittels. Während es schick geworden ist, präventiv zumindest auf Zeit zu verzichten, gibt es am anderen Ende auch viele Menschen, die nach einem gelungenen Entzug keinen Alkohol mehr bestellen dürfen. Gleichzeitig stellen sich große Teile des Fine-Dining-Bereichs immer stärker auf reiche Kundschaft aus dem nahen Osten ein. So sehr die Scheichs den Luxus schätzen, der Alkohol ist ihnen religiös verboten. Darauf stellt man sich mittlerweile sogar in traditionellen Weinbauregionen ein.

(Bild: CC-BY Breville USA)

Vom Aussterben der Dorfkneipen

Über 60 Prozent Schwund in gerade Mal 15 Jahren. Die Zahlen der DeHoGa-Hessen, die die Welt zitiert, klingen besorgniserregend. In den hessischen Provinzen gibt es ein massives Aussterben der Dorf-Gasthäuser. Das Problem scheint ähnlich gelagert wie bei Bauernhöfen: Wenn die Betreiber zu alt werden, finden sie keinen, der die Nachfolge antreten möchte. Weil die jungen Menschen aus der Provinz fliehen, werden die Kneipen aber doppelt getroffen, denn ihnen rennt nicht nur das Personal davon, sondern auch die Kundschaft. Trotzdem ist die Entwicklung auch für Städter traurig, ist das unmittelbare Umland doch ein oft unterschätzter Schatz zur Naherholung.

Mittlerweile schätzt der Verband die Zahl der Betriebe auf nur noch etwa 1100. Zwei Jahre zuvor seien es noch rund 1800 gewesen. Und im Jahr 2002 waren es nach statistischen Angaben noch knapp 3000 Betriebe. Laut Prognosen der Fachleute wird die Zahl noch weiter sinken.

Dabei scheinen es auch die Kneipen in dichter besiedelten Räumen immer schwerer zu haben. Der WDR hat eine Karte über das Verschwinden der Eckkneipen in NRW und selbst in der Hauptstadt diagnostiziert Fabian Federl im Tagesspiegel eine Kneipenkrise.

(Foto: CC-BY-ND dmytrok)

Die Rettung der Berliner Weisse – Eine deutsche Craft Beer Legende

Die Geschichte von Andreas Bogk ist schon fast so etwas wie eine Craft Beer Legende.
Eine deutsche Craft Beer Legende.

Das ist doch mal ein Einstieg. Und danach geht es spannend weiter. Bei Hopfenhelden.de erzählt Franziska Blendin die Geschichte des Hackers Andreas Bogk und seiner Versuche, die historische Berliner Weisse mit einer Mischung aus alter Hefe und frischem Idealismus zu reanimieren.

Wer mehr von Andreas Bogk wissen will, dem sei zu der Folge 194 des CRE-Podcasts geraten, da war Bogk zu Gast, und erklärt das alles nochmal etwas genauer.

(Bild: CC BY 2.0 IK’s World Trip – das Bild zeigt eine Berliner Weisse mit Fruchtsirup)

 

Ein Cheers auf die Monarchie

Wenn im britischen Königshaus gefeiert wird, schafft es auch mal der Boulevard zu Tatar und Theorie. Die BZ berichtet über die Planungen des britischen Parlaments, die strenge Sperrstunde in Pubs ausnahmsweise mal zu lockern, wenn Prinz Harry Hochzeit feiert. Natürlich ein cleverer Move, um zu garantieren, dass die Briten die Hochzeit ihrer Monarchen auch gebührend im ganzen Land feiern. Aber selbst an diesem hohen Feiertag ist nach Abschluss der Geisterstunde dann auch für die Briten Schluss.

Die britische Regierung will anlässlich der Hochzeit von Prinz Harry und Meghan Markle die Sperrstunde in den Pubs verschieben. Am Sonntag begannen öffentliche Beratungen über die Pläne, den Alkoholausschank am 18. und 19. Mai bis ein Uhr morgens zu erlauben. Die Bevölkerung solle an dem „historischen Moment bestmöglich teilhaben können”, erklärte Innenministerin Amber Rudd.

Warum es diese Sperrstunden überhaupt noch gibt, ist von hier aus nicht leicht zu verstehen. Laut Weltgesundheitsorganisation trinken die Briten im Durchschnitt sogar mehr Alkohol pro Person, als Deutsche. Es scheint also kein geeignetes Mittel zu sein, Alkoholkonsum zu beschränken. Daheim ist der Stoff eh billiger, als im Pub.

(Bild: CC BY-ND 2.0 UK in Italy)

Noch ein Schlückchen?

Passend zum Marihuana-Buch vor einigen Tagen, steht aktuell eben auch der Alkohol zur Debatte. Manchem mag das ja zum Schädel nach der Silvester-Feier ganz gut passen. Barbara Russ beleuchtet das Problem in der FAZ aus einer kulturwissenschaftlichen Perspektive von instagram bis Leistungsgesellschaft. Ihr scheint der alkoholische Exzess ein notwendiges Ventil für die Zumutungen der Selbstausbeutung. Dadurch etabliere sich eine Selbstverständlichkeit um das Trinken, die jene unter Rechtfertigungsdruck stellt, die keinen Alkohol trinken möchten. Dazu empfiehlt sich auch Takis Würgers Text bei Spiegel Online über Benjamin von Stuckrad-Barres Nüchternheit.

Die Nüchternheit fühlt sich erstaunlich abenteuerlich an, wenn alle anderen „Prosit“ sagen. Im „Grill Royal“ war nach zwei Stunden alles gesagt, weil wir, so ohne Alkohol im Blut, kaum Unsinn gequatscht hatten. Wie effektiv es doch ist, „Preussen Quelle“ zu trinken.

Nachtrag: Die Washington Post hat ein paar Tipps, wie der Dry-nuary gelingen kann – der Januar ohne Alkohol.

(Bild: CC BY-ND 2.0 Volker Kannacher)