Heute empfehlen wir mal eine Restaurantkritik – und zwar eine ganz außergewöhnliche Restaurantkritik aus einem ganz außergewöhnlichen Restaurant. Julien Walther, der auf seinem Blog Trois Etoiles regelmäßig die Spitzenklasse aus dem Guide Michelin testet, war kürzlich im Ultraviolet. Dort, in Shanghai testet Küchenchef Paul Pairet ein besonderes Gastro-Konzept. Mit speziellen Projektoren wird der komplette Saal zur Leinwand. Vom Teller über die Tischdecke bis zu den Wänden ist das gesamte Restaurant teil einer komplexen Lichtinstallation. Diese wird thematisch passend zu jedem Gang gewechselt. Bei frittiertem Fisch plätschert britischer Regen, zu chinesischer Küche erscheinen fernöstliche Masken. Ein echtes Erlebnis für alle Sinnen.
„It’s not art“ sagt Pairet, als ich mich noch etwas mit ihm unterhalte, während die anderen Gäste langsam Platz nehmen. Nein, Kunst ist das hier alles nicht. Es ist Unterhaltung.
Ob sich das wirklich immer so leicht trennen lässt?
Walther schließt seine Besprechung auch nicht frei von Kunst mit einer Reflektion über die Generalisierbarkeit von Genuss ab. Ich zitiere die Überlegungen mit der Anmerkung, dass das vielleicht nicht nur für „psycho taste“ gelten mag, sondern für jeden Sinneseindruck:
Der von Pairet so bezeichnete „Psycho-Geschmack“ (psycho taste), mit dem er zum Ausdruck bringen möchte, dass es bei der Wahrnehmung von Essen viel um Emotionen geht, ist der Grundpfeiler dieses originellen ‒ und inzwischen auch kopierten ‒ Restaurantkonzepts. Hierzu kann ich feststellen, dass die Bilder und Töne durchaus inspirieren, aber eine fehlende Assoziation nicht ersetzen können. Am besten funktioniert dieses Konzept daher für Esser, die zu vielen Szenerien bereits Erlebnisse abrufen können. Mir ging das so, von Griechenland und Marseille über Monaco, Paris und London bis zu den spanischen Surrealisten: zu all diesen Themen habe ich meine eigenen Geschichten im Kopf. Das ist fast schon erschreckend. Haben alle Gäste heute wirklich dasselbe gesehen?
Wer bewegte Bilder braucht, um sich das alles besser vorstellen zu können, für den hat die New York Times ein spannendes Video über das Ultraviolet gedreht. „In a normal restaurant, the light has nothing to do with your dish.“
(Bild: CC BY-SA 2.0 Alan Wu)