Frauen an den Herd?

Petra Kaminsky hat für Nikos Weinwelten einen sehr lesenswerten, langen Text zum Thema Frauen in der Gastronomie geschrieben.

Die Testesser des Michelin-Führers kürten in der Deutschlandausgabe für 2018 insgesamt 300 Häuser mit den begehrten Sternen. In nur zehn davon hat eine Küchenchefin das Sagen. Keine davon erreichte die Höchstnote von drei Sternen. Nur eine, Douce Steiner aus dem Schwarzwald, bekam zwei.

Kaminsky stellt nicht nur einige der wenigen Frauen vor, die es trotzdem geschafft haben, sondern begibt sich auch auf die Suche nach den strukturellen Hindernissen und biographischen Unterschieden zwischen den Geschlechtern und in der gastronomischen Ausbildung. Wenn das Patriarchat Frauen zurück an den Herd wünscht, scheint es damit nur jene Herde zu meinen, an denen frau kein Geld verdienen kann. Sobald mit der gastronomischen Tätigkeit Geld und Ruhm verdient werden kann, ist es wieder Männersache. Schade eigentlich.

(Bild: CC BY 2.0 Denis Bocquet)

In manchen Fällen Kunst

Der Spiegel hat ein sehr lesenswertes Interview mit Harald Wohlfahrt, einem der ganz wenigen Köche Deutschlands, die es zu drei Sternen im Guide Michelin geschafft haben. Zwischendrin geht es viel um den Streit in der Schwarzwaldstube. Wohlfahrt hatte das unscheinbare Hotelrestaurant 37 Jahre lang bis in die Champions League hinaufgekocht, und ging nun jedoch im Streit. Interessant wird es, wenn er auf die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung zu sprechen kommt. Sterneköche sind vielleicht die am härtesten arbeitenden und dafür am schlechtesten bezahlten Künstler der Welt.

Wobei, ob das zwingend alles Kunst ist, darauf hat Wohlfahrt in dem Interview auch eine schöne Antwort:

Kochen ist zunächst Handwerk, und in manchen Fällen kommt Kunst heraus. Ich hatte Esserlebnisse, die so prägend waren, dass sie mir bis zur Stunde im Gedächtnis geblieben sind. Ich erinnere mich an einen Besuch beim Sternekoch Joël Robuchon in Paris, 35 Jahre ist das her, es gab Perigord-Trüffel auf einem Zwiebelragout mit Speck, ein puristisches Gericht, aber mit einem Duft, einem Ausdruck und einer Wildheit, dass es mir neue Türen aufgestoßen hat. Ich dachte nur: Was ist da los auf deinem Teller?!

(Bild: CC BY-NC-ND 2.0 KrisNM; Das Bild ist, wie Harald Wohlfahrt auch, aus dem Schwarzwald)

 

Wie christlich ist der Weihnachtsbraten?

Das Fest der Liebe ist bei uns vor allem ein Fest des Fleisches

Am zweiten Weihnachtsfeiertag mal ein scheinbar ketzerischer Gedanke zum Fest: Wie christlich ist das eigentlich mit dem Weihnachtsbraten oder dem Fleischverzehr an sich. Katrin Wienefeld hat einen spannenden Artikel zum Thema auf evangelisch.de geschrieben. Darin stellt sie eine Hamburger Gemeinde vor, die seit acht Jahren ihr traditionelles Weihnachtsessen vegetarisch feiert. Der Artikel argumentiert vor allem aus einer Tierschutz-Perspektive, quasi eine erweiterte Nächstenliebe auf Vierbeiner. Dieser Umweg für Tierfreunde wäre dabei gar nicht notwendig, denn längst ist der massenhafte Fleischkonsum ja auch eine Bedrohung für die Umwelt und damit die Mitmenschen geworden. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, müsste folglich also auch heißen: Mach deinem Nächsten wie dir selbst lieber Mal einen Salat.

Könnte es ein Zeichen für die Sorge um das Klima und um das Wohl der Tiere sein, wenn christliche Gemeinden feiern, ohne dabei Fleisch zu verzehren?

(Bild: Das Abendmahl in Emmaus von Michelangelo Merisi da Caravaggio; Public Domain)

Erwartung vs Realität

Das mit den Produktfotografien auf Speisekarten ist ja meist so eine Sache. Die Dönerbude meiner Jugend hatte so schlampig geschossene Fotografien über der Theke hängen, dass die echten Teller um Welten besser aussahen. Oft ist es aber eher andersrum, und das servierte Essen hat Probleme, mit der professionellen Studiofotografie mitzuhalten.

Der Reddit-Nutzer DoktorvonKvantum hat das obige Beispiel aus Japan gefunden, bei dem Speisekartenbild und Teller sich verdächtig ähneln. In dem Thread berichten einige Nutzer, dass das wohl teilweise Vorgaben in der Gastronomie seien. In Japan gibt es ergänzend zur Speisekarte oft auch Plastikmodelle der Speisen, die in Schaufenstern ausliegen, um den Kunden ins Restaurant zu locken. Die Japan Times hat einen spannenden Artikel zum Thema.

Journalist Yasunobu Nose has a theory that links the plastic replicas to the visual aesthetic of Japanese food appreciation. In his book titled “Me de taberu Nihonjin (Japanese People Eat With Their Eyes),” Nose writes that food samples are part of the Japanese tendency to “first ‘taste’ dishes by sight, then eat with their mouths and stomachs.”

Das Auge scheint in Japan noch ein bisschen mehr mit zu essen als bei uns. Wobei, beim Thema Fast Food spielen Ost und West wohl in derselben Liga:

Japan Expectation Reality

„Ein Münchner in Kemerowo würde sich wie zuhause fühlen“

Da Weihnachten ja neben gutem Essen und viel Alkohol vor allem Stress bedeutet, heute nur ein kurzer Text. Aus München. Oder aus Westsibirien. Denn dort gibt es jetzt auch ein Hofbräuhaus und weil die Hofbräu tatsächlich dem Bayerischen Finanzministerium gehört, ist das wohl irgendwie auch ein Abschiedsgeschenk des scheidenden Finanzministers Markus Söder an das globale Bayerntum, bevor er sein Amt als Ministerpräsident antritt. Sollte der bayerische Staatschef sich in Zukunft mal mit dem russischen Staatschef austauschen müssen, gibt es dafür ja jetzt den perfekten Treffpunkt.

Der Satz in der Überschrift, mit dem Münchner in Kemerowo, den soll übrigens auch der scheidende Heimatminister und werdende Ministerpräsident Söder gesagt haben. Welche besondere Bedeutung Essen aus der Heimat für jene hat, die ihre Heimat verloren haben, zeigt dieser spannende Text von Vice aus einem türkischen Flüchtlingslager.

(Bild: CC BY-SA 2.0 Roger W)

Werbeverbote helfen gegen Fast Food

Die kanadische Provinz Quebec hat 1980 ein Gesetz eingeführt, welches Fernsehwerbung für Kinder in Programmen verbietet, die von Kindern geguckt werden. Das erste Ergebnis dieser Maßnahme war eine drollige Rotation der Anzeigenformate.

Under the three-decades-old Quebec Consumer Protection Act, television shows with an audience made up of at least 15 per cent of kids cannot air child-targeted ads. Instead, ads for cars or dishwasher detergent are aired during Saturday morning cartoons while adult-friendly programmed is usually paired with toy ads.

Etwas spannender ist jedoch eine Studie, über die das kanadische Nachrichtenunternehmen Global News 2012 berichtet hatte. Nach dreißig Jahren scheint das Gesetz, welches auch Spielzeugwerbung betrifft, einen deutlichen Einfluss auf die Gesundheit von Kindern zu haben.

After sifting through the StatsCan data to compare the spending and eating habits of households in Quebec and Ontario, where the ban wasn’t in affect, the study suggested that the ban cut money spent on fast food in Quebec by 13 per cent per week. Dhar and Bayles estimated that the steep cut in expenses meant a decrease of 11 million to 22 million fast food meals eaten per year, or 2.2 billion to 4.4 billion fewer calories consumed by kids.

Die Autoren der Studie verweisen auch darauf, dass Fast-Food-Unternehmen sich gezielt an Kinder richten, um eine lebenslange Beziehung zur Marke zu starten. Langfristig hilft ein solch spezialisiertes Werbeverbot anscheinend nicht nur den Kindern, sondern auch den späteren Erwachsenen, sich besser zu ernähren. Das ist nicht nur gut für den Körper, sondern auch den Gaumen. Verfälschte Aromen, übertriebene Würzen und schlechte Produkte sind besonders im Fast Food die Regel. In Deutschland scheinen höchstens die Grünen ähnliche Regelungen zu fordern.

(Bild: CC BY-NC 2.0 Daremoshiranai)

 

Das Fleischwunder für Cocktails

Der Artikel ist schon zwei Jahre alt, für mich war es aber trotzdem eine Neuigkeit. Das sehr schonende Sous-Vide-Verfahren scheint nicht nur Fleisch zu veredeln, sondern zunehmend auch Cocktails. Dass man darüber wenig liest, könnte auch damit zu tun haben, das Barkeeper die sehr technisch anmutende Zubereitung lieber vor den Augen der Kundschaft verstecken. Natalie Compton hat sich für Vice in Bangkok auf die Suche nach Drinks aus dem Sous-Vide-Garer begeben.

Wir wuchsen mit gerührten und geschüttelten Cocktails auf, aber von einem Wasserbad hat Bond nie etwas gesagt. Wenn du nicht gerade in der Gastronomie arbeitest, ist die Sous-vide-Bewegung vermutlich an dir vorbeigegangen.

Stimmt.

(Bild: CC BY 2.0 Michael Shehan Obeysekera)

„Hier zeigt das Glyphosat die ganze Bandbreite seiner zahlreichen Aromaeffekte“

Die Titanic-Redaktion hat unter dem Namen von Kulinarik-Papst Jürgen Dollase als Reaktion auf die allgemeine Glyphosat-Panik eine drollige Gastrokritik des Pflanzengiftes geschrieben.* Wer sich tatsächlich darüber informieren möchte, wie gefährlich der Stoff nun für Menschen ist, dem sei dieser sehr faire Artikel von Jakob Vicari aus dem Greenpeace-Magazin empfohlen. Der Artikel klärt nicht nur darüber auf, welche alarmistischen Studien eher unseriös sind, sondern kommt auch auf die eher problematischen Seiten eines Glyphosat-Verbotes zu sprechen:

Wie viele Experten befürchtet auch er [Matthias Kästner, Mikrobiologie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig], dass Alternativen tendenziell sogar gefährlicher sind. Glyphosat ist immerhin biologisch abbaubar.

Immerhin, wer privat aus dem Glyphosat aussteigen möchte, für den kennt das Greenpeace-Magazin eine einfache, aber nicht ganz günstige, Option:

Eine Alternative gibt es längst: Die biologische Landwirtschaft mit ihren mechanischen Ansätzen zur Unkrautbeseitigung und der intelligenten Fruchtfolge gilt weithin als bester Ausweg aus der Glyphosat-Spirale. Klare Empfehlung: Wer Glyphosat und andere Pestizide so gut es geht vermeiden will, sollte zu Bioprodukten greifen. Die baden-württembergische Lebensmittelüberwachung fand 2015 in Obst und Gemüse aus biologischem Anbau hundertmal weniger Rückstände als in konventionell gewachsenen Früchten.

Ob die moderne Landwirtschaft komplett ohne Pestizide denkbar ist, daran hat zumindest Lars Fischer bei Spektrum erhebliche Zweifel.

*Als regelmäßiger Dollase- und Titanic-Leser muss ich mir die Bemerkung erlauben, dass es schon treffendere Parodien gegeben hatte. Einzelne Sätze wie „Das dazu gereichte, ebenfalls glyphosathaltige Pilsner aus der Radeberger Brauerei schafft mit seinen flüssigen Bitternuancen einen sensorischen Ausgleich zum knackigen Gemüse“ sind fabelhaft getroffen, insgesamt verliert der Text sich aber zwischen den beiden Missionen, sich sowohl über Dollase lustig zu machen, als auch ernsthaft über Glyphosat zu empören.

(Bild: CC BY-ND 2.0 StevanBaird)

 

Der grüne Winzer des Jahres

Ich kann nicht wirklich verstehen, warum die Kollegen der Mainzer Allgemeinen Zeitung den Winzer Hans Oliver Spanier Grinch-Grün gefärbt haben. Der Anlass, dass der Weinguide Vinum Spanier zum Winzer des Jahres gekürt hat, ist doch ein erfreulicher. Grüne Gesichtsfarbe erinnert da eher an Munchs Eifersuchts-Bilder. Irgendwie passt das dann aber auch, denn Monika Nellesen, die das generell lesenswerte Interview geführt hat, war auch so mutig, mal nach der familiären Konstellation zu fragen, die bei guten Winzern vielleicht nicht der Grund für ihren Erfolg ist, oft aber nötige Bedingung war, um überhaupt in das Geschäft einzusteigen. Spaniers Antwort ist nicht uninteressant.

Hätten Sie eigentlich auch eine Versicherungskauffrau oder Lehrerin geheiratet?
Klar. Dass Carolin vom Fach ist, war eine dieser glücklichen Fügungen, die mein Leben begleiten. Klar ist aber auch, dass unser Erfolg nur zustande gekommen ist, weil wir Gleichgesinnte sind.

Sie haben Ihre Frau bei „Message in a Bottle“, einer Vereinigung von Jungwinzern, kennengelernt. Wann haben Sie gegoogelt, wie groß das Weingut Kühling-Gillot ist?
Das war nicht nötig. Wir hatten eine Message-Sitzung in Bodenheim. Die ging ziemlich lustig zu Ende. Als mein späterer Schwiegervater und ich in der Schatzkammer standen und zusammen alte Weine getrunken haben, lagen alle Karten offen auf dem Tisch.

Bemerkenswert in einer Zeit, in der Winzer aus der Neuen Welt die europäischen Tropfen immer ähnlicher nachbilden, ist Spaniers Beharren auf „Terroir“ und „Herkunft“.

Du hast einen Weinberg, der schmeckt großartig, und der Weinberg nur 50 Meter nebenan schafft es nie, in diese Grandezza vorzustoßen.

(Bild: Public Domain)

Praxisbeispiel Gastrochauvinismus: Italians Mad At Food

In ihrem sehr lesenswerten Buch „Identität geht durch den Magen. Mythen der Esskultur“ hat die Literaturwissenschaftlerin Christine Ott  den Begriff des Gastrochauvinismus eingeführt, der eine herablässige Verachtung mancher Länderküchen gegenüber anderen Formen der Esskultur ausdrücken soll. Ein besonders unterhaltsames Beispiel für Gastrochauvinismus im Bereich Social Media bietet der Twitteraccount Italians Mad At Food. Viel Spaß beim Schmökern, Ärgern und Lachen.