Unsterblich – bis wir sie essen?

Die Tage ging die Meldung rum, dass Hummer in der Schweiz in Zukunft nicht mehr einfach lebend in kochendes Wasser geworfen werden dürfen. Uli Blumenthal vom Deutschlandfunk hat das zum Anlass genommen, sich mit dem Zoologen Ulf Bickmeyer über das Schmerzempfinden von Krustentieren zu unterhalten.

Wir können von außen sehr schwer beurteilen, ob ein Organismus Schmerz empfindet oder was auch immer.

Deutlich abgefahrener beim Thema Hummer finde ich ja das Meme, das seit knapp 10 Jahren im Internet herumgeht und behauptet, Hummer seien eigentlich unsterblich. Ein Thread auf Reddit stellt die Sache leider klar. Tatsächlich altern Hummer ganz anders und hören nie auf zu wachsen. Dabei stoßen sie dann aber an andere biologische Grenzen, die sie trotzdem nach einer bestimmten Zeit sterben lassen. Schade eigentlich!

Lobsters aren’t actually „immortal“. They show the effects of aging differently and, after a certain age, apparently lose the ability to molt their shells, resulting in death soon after. Their lifespans are 31-54 or so years for European Lobsters.

The „immortality“ legend arose in part from a 2007 story about lobsters saying that they don’t show signs of senescence in the same way many other animals do and that combined with a study on their telomerase expressionled to extrapolations claiming that they were „immortal“ or „didn’t age“.

They have what’s called „indeterminate“ growth, meaning that they grow and reproduce until they die like a tree, rather than growing to a certain point, then stopping, as in the case of many other animals like humans, elephants, and birds.

Additionally, molting and growing a new shell is costly and something like 10-15% of the population of Maine lobsters die annually during that process.

In short, lobsters do age, they just show it differently.

(Bild: Ein Aufblashummer als Schwimmspielzeug/ CC BY-ND 2.0 madaise)

Gesundheitsrisiko Fernsehköche

Fast jede Zeitung schrieb Anfang der Woche über den neuen Bericht des Bundesinstitutes für Risikobewertung. Verlinkt hat ihn leider kaum jemand, dabei ist er hier doch leicht zu finden. Das Institut hat insgesamt 60 Fernseh-Kochshows ausgewertet. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, das im Schnitt alle 50 Sekunden ein „Hygienefehler“ gezeigt werde. Als häufigste Risiken kritisieren die Wissenschaftler die folgenden Verhaltensweisen:

– Dreckige Hände am Geschirrhandtuch abwischen

– Mit den Fingern salzen oder würzen

– Das Schneidebrett nicht reinigen, nachdem rohe Produkte darauf waren

– Kein Händewaschen, nachdem diese das Gesicht berührt hatten

Das Problem scheint nicht nur in Deutschland zu bestehen:

Bedenklich ist jedoch, dass die in TV-Kochsendungen gezeigte Küchenhygiene häufig nicht einwandfrei ist. Das belegen Studien aus unterschiedlichen Ländern: So übertreffen in vielen amerikanischen TV-Kochsendungen Hygienefehler zahlenmäßig die richtig demonstrierten Hygienepraktiken. Hygienisch bedenkliche Praktiken können beim Nachahmen zu Lebensmittelinfektionen führen.
Die Häme mancher Journalisten scheint mir kaum angebracht. Wer frei von Sünde ist, werfe den ersten Stein. Komischerweise wurden solche Hygienefehler in hunderten Kritiken zum Thema Fernsehköche eigentlich nie erwähnt. Das lässt vermuten, dass selbst die Kritiker der TV-Köche ähnliches Verhalten an den Tag legen. Es scheint trotzdem angebracht für alle, mal ein bisschen über das eigene Küchenverhalten nachzudenken. Das Bundesinstitut für Risikobewertung geht davon aus, dass solche Hygienefehler für mehr als 100000 Infektionen jährlich verantwortlich seien – und wer ist schon gerne krank?

(Bild: Salmonellenbakterien unter dem Elektronenmikroskop/ CC-BY NIAID)

Das M glänzt wieder golden

Irgendwie ja auch passend zum Tode Bocuses: Nachdem man zwischendurch dachte, Fast Food sei bei der nachwachsenden Generation Out, freut man sich bei McDonalds dieser Tage wieder über schwarze Zahlen und satte Gewinne. So schreibt Thomas Klemm für die FAZ, wohlgemerkt im Finanzteil und nicht im Feuilleton:

Der Konzern hat sich dem Zeitgeist halb angepasst, halb widersetzt und damit vollen Erfolg gehabt. So ist McDonald’s ein Comeback gelungen, das dem Unternehmen kaum jemand zugetraut hätte. Nachdem es noch vor drei Jahren so aussah, als ob billige Burger und fettige Fritten dem Trend zur bewussten Ernährung nicht standhalten können, stellt sich die Lage heute anders dar: Die Nachfrage nach einer Mahlzeit, die schnell und günstig zu haben ist, bleibt hoch und steigt sogar vielerorts.

Spannend zu dem Thema ist vielleicht noch diese Bloomberg-Analyse, die argumentiert, steigende Lebensmittelpreise seien für McDonalds eine gute Entwicklung, weil so das Selberkochen in Relation zum Fast Food unattraktiver wird – wie sympathisch.

(Bild: CC BY-NC-ND 2.0 Tasha Metamorfosis)

Die Großstadt konsumiert Gastronomen

Wolfgang Oelrich hat in der FAZ ein schönes Portrait über Reiner Neidhart geschrieben, der so eine art Gastro-Heiliger für die Wetterau ist. Ausgebildet wurde er im nahen Frankfurt, im Grand Hotel Frankfurter Hof. Spannend ist, wie er heute über die Gastroszene der Stadt denkt:

 „Das ist nichts für mich“, antwortet er dann. „Dort wirst du als Gastronom konsumiert. Dauernd musst du einen neuen Kick liefern. Ich bleibe lieber in der Kleinstadt und authentisch.“

Der Gang in die Provinz hat sich ausgezahlt. Im letzten Guide Michelin wurde Neidharts Küche mit einem Bib Gourmand geehrt. Das Drei-Gänge-Menü gibt es bei ihm für 35 bis 40 Euro.

(Bilder: ein ungewöhnlicher Blick auf die Frankfurter Skyline/ CC-BY Matthias Ripp)

Andere Länder, andere Sitten

Heute mal drei Geschichten aus der Hotellerie, und den Schwierigkeiten, die die politischen Rahmenbedingungen der Branche dann ab und zu doch bereiten können. Das Steigenberger in Düsseldorf klagt, ein Scheich habe dort die Zeche geprellt und schulde dem Haus beeindruckende 90 000 Euro. Zur Gerichtsverhandlung ist der arabische Adelige nicht erschienen. Währenddessen bekommt Marriott in China Schwierigkeiten, weil dem Konzern nicht klar war, dass man in China nicht über Taiwan oder Tibet reden darf. Ein anderes Hotel geht hingegen in die Offensive: In Washington DC soll ein Anti-Trump-Hotel entstehen. Vielleicht hatten die 68er ja recht, und es ist wirklich alles politisch. Hotellerie ist zumindest schon mal nicht unpolitisch.

(Bild: Das golden glänzende Trump-Hotel in Las Vegas, CC-BY Prayitno)

Bocuse ist tot

Einer der großen Väter der französischen Nouvelle Cuisine ist Tot. Bocuse wurde nicht nur berühmt für seine regional inspirierte Kochkunst und seinen großzügigen Einsatz von Butter sondern auch für sein Marketing-Genie. Der Gault-Millau hatte ihn bereits Ende der 80er zum „Koch des Jahrhunderts“ erklärt. Dieses, sein Jahrhundert, hatte er nun längst überlebt. Ich werde in den nächsten Tagen die Augen offenhalten, ob es ein paar spannende Artikel zu Bocuses Erbe geben wird. Die eilig zusammengetackerten Nachrufe aktuell scheinen mir eher uninteressant, da ist Böhmermanns Tweet noch das geistreichste.

Spannend wird die Zukunft seines Restaurants. Denn der praktische Betrieb war schon lange nicht mehr auf den Meister angewiesen. Auf die Frage, wer denn koche, wenn er selbst gerade nicht da sei, sagte er: „Derselbe, der kocht, wenn ich da bin.“ Weiterleben werden auf jeden Fall die von ihm vertretenen Tugenden. Kaum eine Neueröffnung, die heute nicht behauptet, alles regional, saisonal und frisch vom Markt beziehen zu wollen. Diesen eigentlich extrem naheliegenden Ansatz hatte Bocuse einst in der Spitzengastronomie durchgesetzt und er gilt bis heute. Allein dafür gebührt ihm großer Dank.

makemake maikaʻi

Mir wurde die Poke Bowl vor einiger Zeit mal als aufgerolltes Maki vorgestellt. Tatsächlich haben die Schüsseln mit rohem Fisch ihre Wurzeln aber nicht in Japan, sondern stammen von Hawaii. Dort hat auch Ligaya Mishan ihre Wurzeln. Für die New York Times hat sie sich auf eine Reise zu den Wurzeln der Poke begeben, die auch in unseren Breitengraden immer populärer wird.

I can’t remember the first time I tasted poke, because in Hawaii, where I grew up, it was always there — in a plastic tub from Foodland or Tamura’s or Tamashiro’s, tossed on the table as a snack or a side dish. Never the main event, but always essential: pieces of raw fish seasoned simply, with a few strong ingredients to draw out the taste of the sea.

(Bild: CC BY-SA 2.0 Michael Saechang)

Restaurant-Kritik aus der Lichtorgel

Heute empfehlen wir mal eine Restaurantkritik – und zwar eine ganz außergewöhnliche Restaurantkritik aus einem ganz außergewöhnlichen Restaurant. Julien Walther, der auf seinem Blog Trois Etoiles regelmäßig die Spitzenklasse aus dem Guide Michelin testet, war kürzlich im Ultraviolet. Dort, in Shanghai testet Küchenchef Paul Pairet ein besonderes Gastro-Konzept. Mit speziellen Projektoren wird der komplette Saal zur Leinwand. Vom Teller über die Tischdecke bis zu den Wänden ist das gesamte Restaurant teil einer komplexen Lichtinstallation. Diese wird thematisch passend zu jedem Gang gewechselt. Bei frittiertem Fisch plätschert britischer Regen, zu chinesischer Küche erscheinen fernöstliche Masken. Ein echtes Erlebnis für alle Sinnen.

„It’s not art“ sagt Pairet, als ich mich noch etwas mit ihm unterhalte, während die anderen Gäste langsam Platz nehmen. Nein, Kunst ist das hier alles nicht. Es ist Unterhaltung.

Ob sich das wirklich immer so leicht trennen lässt?

Walther schließt seine Besprechung auch nicht frei von Kunst mit einer Reflektion über die Generalisierbarkeit von Genuss ab. Ich zitiere die Überlegungen mit der Anmerkung, dass das vielleicht nicht nur für „psycho taste“ gelten mag, sondern für jeden Sinneseindruck:

Der von Pairet so bezeichnete „Psycho-Geschmack“ (psycho taste), mit dem er zum Ausdruck bringen möchte, dass es bei der Wahrnehmung von Essen viel um Emotionen geht, ist der Grundpfeiler dieses originellen ‒ und inzwischen auch kopierten ‒ Restaurantkonzepts. Hierzu kann ich feststellen, dass die Bilder und Töne durchaus inspirieren, aber eine fehlende Assoziation nicht ersetzen können. Am besten funktioniert dieses Konzept daher für Esser, die zu vielen Szenerien bereits Erlebnisse abrufen können. Mir ging das so, von Griechenland und Marseille über Monaco, Paris und London bis zu den spanischen Surrealisten: zu all diesen Themen habe ich meine eigenen Geschichten im Kopf. Das ist fast schon erschreckend. Haben alle Gäste heute wirklich dasselbe gesehen?

Wer bewegte Bilder braucht, um sich das alles besser vorstellen zu können, für den hat die New York Times ein spannendes Video über das Ultraviolet gedreht. „In a normal restaurant, the light has nothing to do with your dish.“

(Bild: CC BY-SA 2.0 Alan Wu)

 

Rechte gegen Rechte

In Halle wird zur Zeit wild über einen Pub diskutiert. Der Anny Kilkenny-Pub in Halle hatte Mitgliedern der rechtsradikalen „Identitären Bewegung“ ein Hausverbot erteilt. Dann gab es den Versuch von rechter Seite, den Pub über negative Facebook-Bewertungen zu diskreditieren. Dieser Versuch ging wohl eher nach hinten los. Unbeachtet davon ist es natürlich auch eine juristisch interessante Frage: Darf ein Wirt pauschal rechtsradikalen ein Hausverbot erteilen? Gilt das auch für andere politische Ideologien? Im aktuellen Fall bekommt der Pub nun Rückendeckung vom Arbeitskreis kritischer Jurist_innen Halle. Diese argumentieren speziell mit der Gefährlichkeit, die von der rechtsradikalen Gruppierung ausgehe.

Dass die IB nicht überall ihr Feierabendbier bekommt, mag für sie somit zwar bedauerlich sein, ist aber völlig rechtens.

Eine ähnliche Situation gab es letztes Jahr in Köln, anlässlich eines AfD-Parteitages. Damals riefen Wirte organisiert zum Protest gegen die extrem rechte Partei auf. Das Motto der Aktion hieß damals „Kein Kölsch für Nazis.“

(Foto: CC BY 2.0 fukami)