Instant Pot – Der amerikanische Thermomix?

Bestimmt kennen Sie, werte Leserin, werter Leser, auch ein paar von diesen Menschen, die nicht nur die Dreistigkeit besitzen, sich eine Küchenmaschine für tausend Euro zu kaufen, sondern seitdem von nichts anderem mehr reden möchten. Der Thermomix-Rausch greift um sich. In den USA scheint es grade einen ähnlichen Hype um einen Schnellkochtopf zu geben, den Instant Pot. Kevin Roose nimmt uns in der New York Times mit auf seine Reise zu den Wurzeln des Trendgerätes.

Truth be told, the headquarters of Instant Pot don’t look much like a church. But inside this sterile, gray office building on the outskirts of Ottawa, behind a door marked only by a small metal sign, a new religion has been born. Its deity is the Instant Pot, a line of electric multicookers that has become an internet phenomenon and inspired a legion of passionate foodies and home cooks. These devotees — they call themselves “Potheads” — use their Instant Pots for virtually every kitchen task imaginable.

(Bild: CC BY 2.0 goblinbox_(queen_of_ad_hoc_bento))

Lädchen wechsel dich

Julia Floß zieht im Kölner Stadtanzeiger eine erste Bilanz des „Laden Ein“. Dabei handelt es sich um ein Restaurant, in dem alle zwei Wochen jemand anderes kocht und soll eine Verlängerung der abwechslungsreichen Street Food Festivals in ein Ladenlokal hinein sein.

Bisher durften sich schon mehr als 50 Gastronomen ausprobieren. Eine der wichtigsten Eigenschaften von Street Food-Märkten und Pop Up-Stores ist allerdings ihre Kurzlebigkeit. Die Neugierde der Kundschaft wird über Zeitdruck erhöht: „Wir müssen da jetzt hin. Das gibt’s nur heute.“

Für mich persönlich klingt das ja eher stressig, aber ich bin auch so ein Lieblingsladen-Gewohnheitstier und nicht der größte Street-Food-Connaisseur. Blöder Satz, aber der Erfolg scheint dem Laden-Ein-Team ja recht zu geben und lustig klingt das schon.

(Symbolbild: CC BY 2.0 i_yudai)

Vergessenes Kulturgut Wildvogel

Von dem Germanisten, Volkskundler und Nationalsozialisten Hans Naumann hat die Theorie des gesunkenen Kulturgutes überlebt. Naumann glaubte nicht an eine eigenständige Kultur der unteren Schichten des Volkes, sondern ging davon aus, dass alle Kultur bei den Eliten entsteht und dann im Laufe der Jahrhunderte in die „unteren Schichten“ der Gesellschaft herabsinkt. Für einzelne Beispiele mag das stimmen. So bezeichnete man im Mittelhochdeutschen nur Damen des hohen Adels als Frouwe, alle anderen Frauen wurden relativ wertungsfrei wîb genannt. Heute sind alle Frauen Frauen und Weib wird nur noch selten und wenn dann abwertend verwendet.

„Zu glauben, daß aus der Gemeinschaft der Fortschritt komme, ist
Romantik. Sie zieht herab oder ebnet mindestens ein. Volkstracht, Volksbuch, Volks-
lied, Volksschauspiel, Bauernmöbel usw. sind gesunkene Kulturgüter bis in die
kleinsten Einzelheiten hinein, und sie sind es nur langsam, in fast zu errechnendem
zeitlichem Abstand geworden. Mit anderen Worten: Volksgut wird in der Oberschicht gemacht“.

Auf der anderen Seite gibt es aber genug Beispiele von Kulturgütern, die genau andersrum von unten nach oben gewandert sind. Der Pluralis Majestatis wurde von den einfacheren Umgangsformen des einfacheren Volkes verdrängt. Erwin Seitz allerdings erinnert in der FAZ an ein Kulturgut, welches weder auf- noch abgestiegen, sondern anscheinend verschwunden ist: Den Verzehr von Wildvögeln.

Es gab einmal eine Zeit, da gehörte das Wildgeflügel zum Feinsten, was die Küche zu bieten hatte. Marx Rumpolt, der „Mundtkoch“ des Kurfürsten und Erzbischofs von Mainz, veröffentlichte 1581 sein „Neues Kochbuch“ und stellte darin mehrere Menüfolgen vor, gestaffelt nach sozialen Ständen: für Kaiser, Könige, Kurfürsten, Herzöge, Grafen, Edelleute, Bürger und Bauern. Auf den Festbanketten der hohen Herrschaften wimmelte es von Wildgeflügel.

Im Burgenland in Österreich macht er sich auf die Suche nach den vergessenen Delikatessen. Näher vorgestellt werden in dem schön illustrierten Artikel (man merkt eben immer, dass die FAZ sich noch eine eigene Bildredaktion leistet) die Waldschnepfe, der Fasan, das Rebhuhn und die Graugans. Dabei folgt er nicht nur einem neugierigen Gaumen, sondern scheint auch ein größeres Projekt zu verfolgen:

Peter Singer stellt heute in seinem Buch „The Expanding Circus“ die These auf, dass sich das Mitgefühl der Menschen auf einen immer größeren Kreis von Lebewesen erweitere. Wäre es stattdessen aber nicht wichtiger, uralte ökologische Zusammenhänge zu erhalten oder zu rekultivieren, den Kreislauf von schonender Jagd, biologischem Landbau, vielfältiger gesunder Ernährung und Feinschmeckerei? Naturschützer plädieren dafür, angesichts gefährdeter Bestände des Wildgeflügels ganz auf die Jagd dieser Tiere zu verzichten. Doch die Jagd ist nicht das Problem – es ist die industrielle Landwirtschaft.

Das klingt erstmal sehr edel, seltene Vögel futtern und dabei trotzdem an die Umwelt denken. Aber der industriellen Landwirtschaft den schwarzen Peter zuschieben ist so richtig wie bequem. Allerdings ist es eben auch jene industrielle Landwirtschaft, die die außergewöhnlich günstigen Verbraucherpreise in Deutschland ermöglicht. Über kurz oder lang wird gerade Deutschland sich zwischen Billigfleisch und Umweltschutz entscheiden müssen. Aber das hat dann nur noch peripher mit Wildvögeln zu tun.

(Foto: CC BY-ND 2.0 !Koss)

Von der Suche nach den richtigen Wörtern

Eigentlich habe ich gedacht, ich verlinke Philipp Mausshardts Artikel-Reihe „Auf die Mütze“ in der taz erst, wenn sie komplett ist. Aber vielleicht soll es ja Fragment bleiben, mehr als zwei Folgen scheint es bisher leider nicht zu geben. Der Autor, selbst ein erfahrener Restaurantkritiker, wagt sich auf die Meta-Ebene und schreibt ein bisschen über diese ganz spezielle Textgattung. Im ersten Teil geht es um die Geschichte des Textgenres.

Als Vater der Restaurantkritik gilt der Franzose Alexandre Grimod de la Rey­nière. Ein Adeliger, der kurz nach der Französischen Revolution damit begann, die Kochkünste seiner Landsleute mit bissig-ironischen Kommentaren zu bewerten.

Für aktive Restaurantkritiker besonders spannend ist der zweite Teil. Hier klagt der Autor über die Schwierigkeit, Geschmack adäquat in geschriebenem Text wiederzugeben.

Süß, sauer, salzig, bitter. Viel mehr Begriffe, um einen Geschmack zu beschreiben, gibt es nicht. Umami, die fünfte Geschmacksqualität, am ehesten mit „fleischig, würzig“ umschrieben, kennt schon kaum ein Mensch.

Im Unterschied zu Dollases Stiftung Restaurantkritik, die wir vor kurzem hatten, denkt Mausshardt deutlich mehr an den Leser, der am Ende auch was lernen will und Spaß haben soll mit dem Text.

(Bild: CC BY 2.0 cheeseslave)

 

 

Noch ein Schlückchen?

Passend zum Marihuana-Buch vor einigen Tagen, steht aktuell eben auch der Alkohol zur Debatte. Manchem mag das ja zum Schädel nach der Silvester-Feier ganz gut passen. Barbara Russ beleuchtet das Problem in der FAZ aus einer kulturwissenschaftlichen Perspektive von instagram bis Leistungsgesellschaft. Ihr scheint der alkoholische Exzess ein notwendiges Ventil für die Zumutungen der Selbstausbeutung. Dadurch etabliere sich eine Selbstverständlichkeit um das Trinken, die jene unter Rechtfertigungsdruck stellt, die keinen Alkohol trinken möchten. Dazu empfiehlt sich auch Takis Würgers Text bei Spiegel Online über Benjamin von Stuckrad-Barres Nüchternheit.

Die Nüchternheit fühlt sich erstaunlich abenteuerlich an, wenn alle anderen „Prosit“ sagen. Im „Grill Royal“ war nach zwei Stunden alles gesagt, weil wir, so ohne Alkohol im Blut, kaum Unsinn gequatscht hatten. Wie effektiv es doch ist, „Preussen Quelle“ zu trinken.

Nachtrag: Die Washington Post hat ein paar Tipps, wie der Dry-nuary gelingen kann – der Januar ohne Alkohol.

(Bild: CC BY-ND 2.0 Volker Kannacher)

 

Hauptkampftage

„Ohne Sonntag gibt es nur noch Werktage“ lautete eine Kampagne der Evangelischen Kirche zur Jahrtausendwende. Beim Thema Sonntagschutz sind sich Gewerkschaften und Kirchen traditionell einig: Hier soll nicht gearbeitet werden. Ein Tag die Woche soll für Freizeit und Familie, Entspannung und Erholung reserviert sein. In der Gastronomie kann man über solche Initiativen nur müde Lächeln. Dort heißen Sonn- und Feiertage „Hauptkampftage“. Denn wenn die Mehrheit sich erholt, muss eine Minderheit für sie kellnern und kochen – und das nicht selten für mäßige Bezahlung. Wie die AHGZ jetzt berichtet, ist dieser Anteil am wachsen:

So arbeiteten im Jahr 2016 immerhin 15 Prozent der Erwerbstätigen hierzulande regelmäßig an Sonn- oder Feiertagen. Und dieser Anteil sei in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen: 1996 hatten nur 11 Prozent der erwerbstätigen regelmäßig an Sonn- und Feiertagen gearbeitet.

Die gesetzlichen Regelungen rund um die Arbeit am Sonntag sind relativ kompliziert. Da die Gastronomie von sehr kleinen Betriebsgrößen dominiert wird, in der Betriebsräte und andere Kontrollinstanzen selten sind, muss man wohl davon ausgehen, dass solche Regeln öfter gebrochen als eingehalten werden. Wo kein Kläger, da kein Richter. Das muss nicht mal mit dem gemeinen Chef zu tun haben. Bei vielen Unternehmen ist die Personaldecke so dünn, dass es grade der Chef ist, der jeden Sonntag hinter der Theke steht. Er hat keinen Vorgesetzten, demgegenüber er sein Recht einfordern könnte und gleichzeitig kein Personal, dass ihn regelgemäß vertreten kann. Eine Außnahme ist häufig der Sternebereich. Der schafft an Werktagen so viel Umsatz, dass viele Restaurants mit Sternchen ihren Ruhetag tatsächlich auf dem Sonntag liegen haben. Das ist doch mal ein Ansporn, an der Qualität zu schrauben.

(Bild: EKD)

Fette Viecher

Für das neue Jahr sei den Lesern von Tatar und Theorie (ein exklusiver Club von 3-4 sind es derzeit) viel Glück gewünscht. Viel Glück im Großbritannien des 19. Jahrhunderts, das war übrigens ein Gemälde von einer möglichst fetten Kuh – oder einem fetten Schwein, oder Schaf oder Stier. Gastro Obscura berichtet über die überraschend geometrischen Tiere, deren Abbildungen reiche Bürger sich damals als Statussymbol an ihre Wände hängten.

The early 1800s was the peak of livestock painting. Often the subject was racehorses, painted in slender lines denoting their speed and grace. But for farm animals, corpulence was key. In the paintings, the cow, sheep, and pigs are massive, yet oddly supported by only four spindly legs. Sometimes, their owner is painted in as well, proudly looking over their creation. Other times the animal stands alone, seemingly ready to eat a nearby village. The simple style is often referred to as rustic or “naive” art, even though the subjects were animals belonging to a wealthy elite. The resulting images were part advertisement and part spectacle.

In diesem Sinne also ein frohes Jahr voll fetter Viecher!

(Bild: Yale Center for British Art/Public Domain)

Bakterien für das gute Aroma

„Gesetze sind wie Würste, man sollte besser nicht dabei sein, wenn sie gemacht werden“ soll Otto von Bismarck einst gesagt haben. Relativ sicher hat er das nie getan. Es gibt zumindest keine Quelle, die darauf hinweist. Nachgewiesen ist es so ähnlich bei dem amerikanischen Dichter John Godfrey Saxe. Erst seit den 1930er Jahren taucht der Spruch in Deutschland in Verbindung mit Bismarck auf. Man muss kein Professor für Deutsche Geschichte sein, um zu wissen, warum gerade dann gelogen wurde, um die Weisheit eines amerikanischen Dichters dem eisernen Kanzler zuzuschreiben.

Aber egal, wer es gesagt haben mag: Als Menschen der Aufklärung wollen wir natürlich wissen, wie unsere Gesetze und unsere Würste gemacht werden. Für Ersteres empfehlen sich die tollen Seiten von Europaparlament und Bundestag*. Hier geht es aber um das Essen – genauer genommen um die Wurst. Deshalb empfehle ich heute den Artikel von

When you slice into a salami, you are enjoying the fruits of some very small organisms’ labor.

Um das Reifen zu beschleunigen, setzen einige Hersteller auf bestimmte Bakterien als Starthilfen bei der Wurstreifung. Nun hat eine Studie ergeben, dass wild gereifte Salamis, ohne die Bakterien-Starthilfe, aber deutlich besser schmecken. Wenn wir das nächste Mal in eine besonders gute Wurst beißen, sollten wir also nicht nur dem Tier, dem Schlachter und dem Metzger danken, sondern auch den vielen Kleinstlebewesen, die das ganze erst so richtig schmackhaft machen.

Still, the idea of a more tailored approach — perhaps using microbes captured from the wild to get a better flavor — is tantalizing. In fact, identifying bacteria for a starter for artisanal Piedmontese salami will be part of the researchers’ next project.

(Bild: CC BY-SA 2.0 Zekun Jiang)

 

Die dümmsten Food-Trends 2017

Ein neues Jahr steht vor der Tür. Bevor man diese Tür öffnet, um sich auf dem Weg nach 2018 zu machen, lohnt ein Blick zurück auf vergangene Fehler, damit wir diese nicht wiederholen müssen. Felicity Cloake hat für den Guardian die dümmsten Food-Trends 2017 gesammelt. Das scheint auf den ersten Blick nur ein dummes Listicle im Buzzfeed-Style zu sein. Für ein deutsches Publikum scheint es mir aber doch ganz spannend. London ist die Food-Trend Hauptstadt Europas, und manchem gescheiterten Experiment von dieser Liste steht die breite Markteinführung in Deutschland erst noch bevor. Die Aktivkohle zum Färben von Eis oder Burgerbrötchen gibt es hier grade an jeder Ecke und Cloake hat recht: Geschmacklich ist das Grütze. Spannend ist aber wohl auch der Gesundheitseffekt. „Not only does it taste awful, but there’s no evidence of any health benefits unless you’ve already been poisoned, in which case you probably shouldn’t be eating pizza. In fact, so effective is charcoal at absorbing chemicals that it can affect prescription medication, too.“ Gemüse-Joghurts und Cloud Eggs wurden mir hierzulande noch gar nicht angeboten. Mit Cloake können wir also ein wenig in die Kristallkugel schauen, welche Dummheiten uns vermutlich noch bevorstehen – 2018 wird aufregend.

(Bild: CC BY-SA 2.0 magnoid)

 

„Ein Küchenkraut wie Salbei und Rosmarin“

Beim Surfen im Netz stieß Sascha Basler vor zwei Jahren auf einen Bericht, wonach in Kalifornien immer mehr Spitzenköche Cannabis einsetzen. Die Pflanze kennt er seit seiner Jugend in Münster unweit der holländischen Grenze, beim Billard in Enschede gab’s den Brownie einst gratis dazu. Da hatte der Kochfreund nun diese Idee, die über Klassiker wie Space Cake hinausgeht.

Peter Burghardt stellt in der Süddeutschen Zeitung den Autor Sascha Basler vor, der ein ganzes Kochbuch rund um Marihuana geschrieben hat. „Wohl dosiert könne der Zusatz Cannabis extrem lecker und anregend sein“ verrät der Fachmann. Wie es denn schmeckt, darüber kann Burghardt nichts berichten, denn schließlich ist Marihuana in Deutschland verboten.

Einerseits ist das sehr verständlich. Der Staat möchte seine Bürger vor einer Droge schützen, die die Menschen abhängig und ihre Körper kaputt machen kann. Allerdings wissen wir nicht erst seit dieser aufwendigen Correctiv-Recherche, dass man dann konsequenterweise auch den Alkohol strenger regulieren müsste, der gesundheitlich eben auch viel mehr schadet als nutzt. Der Unterschied zwischen Alkohol und Marihuana ist, dass die Deutschen und der Alkohol sich eben über Jahrhunderte aneinander gewöhnt haben, und der eine ohne den andern gar nicht mehr kann. Deutschland ist gleichzeitig wichtiger Konsument und Produzent. Die ökonomischen Verflechtungen um die Droge Alkohol sind unentwirrbar und mit Kneipen, Dorffesten und Co. wurden spezielle Institutionen geschaffen, in denen die negativen Folgen eines Alkohol-Rausches allgemein akzeptiert sind. Zumindest der Komiker Michael Mittermeier meint, dass man so was ja auch mal mit Gras probieren könnte.

Am Ende kommt es  darauf an, welche Vorstellung eines guten Lebens in der Gesellschaft regiert. Wenn es darum geht, möglichst enthaltsam und lang zu leben, dann hätten auch Fleisch oder Pasta einen schweren Stand. Wer dagegen so viel genießen möchte, wie möglich, der muss wohl damit rechnen, etwas früher abzutreten.

(Bild: CC BY-NC-ND 2.0 Edward the Bonobo)